© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  10/13 / 01. März 2013

Von der Freiheit romtreuer Überzeugung
Der Schriftsteller Martin Mosebach singt ein Loblied auf den Ultramontanismus
Felix Dirsch

Lange ist es her, seit Carl Schmitt seine Schrift „Römischer Katholizismus und politische Form“ auf den Markt gebracht hat. Diese Publikation konstatiert einen in Deutschland im Grunde genommen bis heute anzutreffenden „antirömischen Affekt“. Gleichwohl machen sich in den letzten Jahren zarte Regungen eines Feuilletonkatholizismus bemerkbar, der dem Hauptstrom ein Stück weit entgegenwirkt. In diesem Zusammenhang werden Namen wie der des Zeit-Redakteurs Jan Roß („Die Verteidigung des Menschen“) und – um einiges pointierter – der des Spiegel-Autors Matthias Matussek („Das katholische Abenteuer“) genannt.

Der prominenteste Vertreter dieser Richtung ist aber wohl der Schriftsteller und Träger des renommierten Georg-Büchner-Preises Martin Mosebach. Der große Erfolg seiner Abhandlung „Häresie der Formlosigkeit“ vor einem Jahrzehnt hat ihn wohl ermutigt, eine neue Aufsatzsammlung zum Thema Glaube und Kirche vorzulegen. Er stellt seine ultramontane Haltung, wie nicht anders zu erwarten, offensiv heraus. Die 16 Beiträge wurden zwischen 1995 und 2012 verfaßt und an verschiedenen Orten erstmals veröffentlicht. Die Erörterungen, die sich um den deutschen Papst drehen, bilden 2005 und in den folgenden Jahren einen Schwerpunkt des Bandes.

Die größte Resonanz hat ein Diskussionspapier „Vom Wert des Verbietens“ hervorgerufen. Der ob seiner stilistischen Brillanz und literarischen Vielseitigkeit allseits gelobte Autor ist unfähig sich zu empören, wenn sich Moslems gegen die in westlichen Gesellschaften immer aggressivere Blasphemie zur Wehr setzen. Die Repräsentanten der christlichen Bekenntnisse schauen bei derartigen Angriffen, die nicht selten unter dem Deckmantel der Kunstfreiheit stattfinden, zumeist weg, ebenso die Justiz. Jedoch bietet die steigende Präsenz von Moslems eine Gewähr für die bleibende Aktualität des Widerstandes gegen Gotteslästerung, die kürzlich sogar anläßlich einer Tagung der Bayerischen Akademie der Schönen Künste debattiert wurde.

Auch die übrigen Essays sind lesenswert. Bereits die einleitenden Ausführungen verdeutlichen, daß eine rom- und papsttreue Gesinnung kein Indiz für eine hinterwäldlerische Einstellung darstellt, sondern öfter das geistige Rüstzeug bietet, sich totalitären und politisch-autoritären Zwängen zu entziehen. Historische Belege zur Verifizierung dieser Meinung liegen in größerer Zahl vor. Der Bogen läßt sich vom beherzten Widerstand etlicher deutscher Bischöfe in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts gegen die Einführung der obligatorischen staatlichen Zivilehe in Preußen bis zur Ablehnung der romfeindlichen Agitation der Nationalsozialisten schlagen.

Bei genauer Prüfung der geschichtlichen Fakten läßt sich leicht feststellen – der Nichthistoriker Mosebach tut das vielleicht nicht immer akribisch genug –, daß die erklärten Gegner des Ultramontanismus in nicht wenigen Fällen eine übertrieben nationalistische Haltung an den Tag legten. Die kurz nach 1900 im Rahmen der Modernismus-Krise vom Lehramt indizierten Theologen Hermann Schell und Joseph Schnitzer, der bei seinem Begräbnis 1939 die Ehrenbezeugung der NSDAP erhielt, sind nur zwei Beispiele.

Es ist kein großes Geheimnis, daß Apologeten des Ultramontanismus im Lande des reformatorischen Aufstandes äußerst dünn gesät sind. Der Kenner der Historiographie erinnert sich vielleicht an eine vor fünfzig Jahren erschienene Studie von Karl Buchheim, die den Konnex von „Ultramontanismus und Demokratie“ im 19. Jahrhundert herausarbeitet, mithin also die seinerzeit modernen Züge dieser Erscheinung. Ansonsten ist diesbezüglich wenig zu finden.

Selbst im heutigen Episkopat dürfte Mosebach nicht uneingeschränkten Beifall finden. Es ist noch in guter Erinnerung, daß die Mehrzahl der Bischöfe, wie der langjährige Vorsitzende der Bischofskonferenz, Kardinal Karl Lehmann, in geschmeidig-diplomatischen Verhaltensweisen geübt, in der staatlichen Schwangerschaftskonfliktberatung verbleiben wollte, obwohl der Kurs des Vatikans offenkundig ein anderer war. Der Außenseiter trägt seine Rolle jedoch mit Fassung.

Besonders hingewiesen sei auf den letzten Text der Sammlung, der mit den Worten „Vom Papst“ überschrieben ist und nicht von ungefähr auf einen gleichnamigen Buchtitel des Vaters des Ultramontanismus, des französischen Gegenrevolutionärs Joseph de Maistre, anspielt. Wie sein Vorläufer im 18. Jahrhundert hebt auch Mosebach hervor, daß die Loyalität zum Papsttum in der Vergangenheit einiges dazu beigetragen hat, eine staatliche societas perfecta wenn nicht verhindert zu haben, so doch dieser zumindest ein Stachel im Fleisch gewesen zu sein. Nichts anderes intendierte der stets als Reaktionär verschrieene de Maistre, der mit seinem Plädoyer zugunsten der päpstlichen Souveränität den neuen Absolutismus infolge der jakobinischen Verschmelzung von Staat und Kirche attackierte. So gesehen würzen beide, Mosebach wie de Maistre, ihre Argumentation mit einer gehörigen Portion liberalen Denkens.

Martin Mosebach: Der Ultramontane. Alle Wege führen nach Rom. Sankt Ulrich Verlag, Augsburg 2012, gebunden, 160 Seiten, 16,95 Euro

Foto: Martin Mosebach 2011: Eine rom- und papsttreue Gesinnung bietet das geistige Rüstzeug, sich totalitären und politisch-autoritären Zwängen zu entziehen

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