© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  11/13 / 08. März 2013

„Klauen wir doch gleich die ganze Bank“
Sal. Oppenheim: In Köln begann einer der größten Wirtschaftsstrafprozesse / Ex-Geschäftsführer angeklagt
Markus Brandstetter

Die Kölner Privatbank Sal. Oppenheim ist einmal die erste Adresse für Deutschlands Geldelite gewesen. Die lange Tradition, die edle Aura, die Adelsnamen in der Geschäftsleitung, die echten Ölbilder – all das zog Millionäre und Milliardäre magisch an. Und weil alles so edel, alt und gut schien, verzichteten viele der Kunden, mit denen sich die Direktoren gerne auf Jachten und beim Pferderennen trafen, darauf, genauer hinzuschauen. Das war, wie sich jetzt zeigt, ein Fehler.

Viele betuchte Kunden und alle ehemaligen Inhaber des Bankhauses, das nach schweren Verlusten 2010 von der Deutschen Bank „gerettet“ wurde, haben massiv Geld verloren. Schuld daran sollen aber weder die Lehman Brothers, die Finanzkrise, noch falsche Investmentstrategien gewesen sein, sondern schlicht Betrug, juristisch als „schwere Untreue“ klassifiziert. Das zumindest wirft die Staatsanwaltschaft Köln der einstigen Geschäftsleitung vor, die auf der Anklagebank vollständig vertreten ist: Matthias Graf von Krockow (63), der frühere Sprecher der Geschäftsführung, Friedrich Carl Janssen (68), Dieter Pfundt (60) und Christopher Freiherr von Oppenheim (47), allesamt ehemals persönlich haftende Gesellschafter. Ihr wichtigster Geschäftspartner, Josef Esch (56), ein bauernschlauer Immobilien- und Fondsimpresario, der es vom Maurerpolier zum Finanzzampano des deutschen Geldadels gebracht hat, ist wegen Beihilfe und einem Fall von schwerer Untreue mit von der Partie.

Drei Jahre lang hat die Staatsanwaltschaft ermittelt, 600 Umzugskartons voll mit Ordnern sichergestellt, 50 Zeugen befragt, vier Terabyte elektronischer Informationen ausgewertet, das ist die Datenmenge einer Universitätsbibliothek. Aus der Fülle von Anklagepunkten haben die Staatsanwälte vier herausgefiltert, die die besten Chancen für eine Verurteilung versprechen.

Die ersten drei Vorwürfe haben mit Immobiliengeschäften zu tun, durch die die früheren 30 Gesellschafter der Bank, also deren eigentliche Besitzer, um fast 150 Millionen Euro geschädigt worden seien. Im ersten Fall erwarb Sal. Oppenheim 2005 eine tausend Quadratmeter große Villa in Köln, ließ sie so aufwendig renovieren, daß man die Villa dafür hätte zweimal kaufen können, um sie dann laut Staatsanwaltschaft deutlich unter Marktniveau an Christopher von Oppenheims Mutter, Jeane Freifrau von Oppenheim (72), zu vermieten. Schaden für die Bank: 8,5 Millionen Euro.

Ebenfalls in Köln vermieteten die Angeklagten 2007 an die eigene Bank einen Bürokomplex, der ihnen, ihren Ehefrauen und Krockows Schwager Georg Baron von Ullmann (59) privat gehörte. Auch hier wurde erst auf Kosten der Bank und wie immer durch Firmen aus dem Esch-Imperium ausgiebig renoviert, dann aber laut Staatsanwaltschaft überteuert an das Geldinstitut zurückvermietet und das gleich fix auf 30 Jahre. Schaden: 64 Millionen Euro.

Ähnlich lief eine dritte Transaktion in Frankfurt. Hier hatten die Angeklagten im Januar 2007 ein Bürohaus mit Krediten von Sal. Oppenheim erst privat erworben, gewohnt teuer renoviert und dann an Dieter Pfundts Investmentsparte vermietet. Schaden: 76 Millionen Euro. Bei all dem gab es laut Anklage immer Bedenken aus dem Mittelmanagement der Bank, das auf fehlende Daten, zu lange Mietverträge und die Unwirtschaftlichkeit der Projekte hinwies, doch wurden diese von den Angeklagten, die ja das allergrößte Interesse hatten, daß ihre Deals auch durchgingen, regelmäßig weggefegt.

Der zweite große Verhandlungspunkt hat mit der Quelle-Erbin Madeleine Schickedanz (69) zu tun, deren Finanzberater der ubiquitäre Josef Esch war. Von 2001 bis 2005 hatte das Bankhaus Frau Schickedanz 650 Millionen Euro geliehen, damit diese die Aktienmehrheit an der damals bereits schwer angeschlagenen Karstadt-Quelle AG kaufen konnte. Als bankinterne Vorschriften („Klumpenrisiko“) weitere Kredite an die Quelle-Erbin verboten, gründeten Krockow, Ullmann, Oppenheim und Esch die Tarnfirma ADG (laut Anklage eine „Strohmannfirma“), durch die zusätzliche 350 Millionen Euro in Richtung Schickedanz geschleust wurden.

Rechnet man noch 100 Millionen Euro an weiteren Krediten für den Karstadt-Quelle-Konzern, der sich inzwischen „Arcandor“ nannte, dazu, dann hatte Sal. Oppenheim zur Jahresmitte 2008 kaum besicherte Kredite über eine Milliarde Euro an Vorstand und Hauptaktionärin eines altmodischen Handelskonzerns ausgereicht, mit dem es im Zeitalter von Amazon und Ebay rapide bergab ging. Als Arcandor 2009 Insolvenz beantragte, hatten sich die Kredite der Oppenheimer in Luft aufgelöst. Um den Untergang zu vermeiden, verkaufte sich das noble Haus bald danach an die Deutsche Bank.

Die 16. Große Strafkammer des Kölner Landgerichts, vor der der Fall nun verhandelt wird, rechnet mit einem Monsterprozeß, der bis Weihnachten gehen könnte. Den Bankiers drohen dabei bis zu zehn Jahre Haft. Aber ganz egal, ob die Vorwürfe sich nun beweisen lassen oder nicht, eines steht fest: Dem Bankiers-Quartett ist es gelungen, die feinste, reichste und beste Privatbank Europas, die im Ansehen nur hinter dem Haus Rothschild stand, ein Institut, das Napoleon, zwei Weltkriege und den Nationalsozialismus überlebt hatte, in nur acht Jahren zu ruinieren.

 

Privatbank Sal. Oppenheim

1789, im Jahr der Französischen Revolution, gründete der 17jährige Salomon Oppenheim ein Kommissions- und Wechselhaus in Bonn. Als die Franzosen neun Jahre später das Rheinland besetzten, verordneten sie Religionsfreiheit, worauf die Ära der großen jüdischen Bankgründungen begann. Oppenheim verlegte den Sitz seines Hauses 1798 nach Köln, dem damals wichtigsten deutschen Bankplatz. Im 19. Jahrhundert finanzierten die Oppenheims Eisenbahnen und Rheinschiffahrt, beteiligten sich an Eisenhütten und Kohlebergwerken. Oppenheims Sohn Abraham wurde 1868 in den preußischen Freiherrnstand erhoben. 1936 „arisiert“, ging die Bank vorübergehend an den Bankier Robert Pferdemenges über, wurde jedoch 1947 wieder in Sal. Oppenheim jr. & Cie. umbenannt. 1989 verkaufte Oppenheim seine Beteiligung an der Colonia-Versicherung und reinvestierte die Erlöse in zusammen mit dem rheinischen Bauunternehmer Josef Esch aufgelegte Immobilien-Fonds, die als „Steuersparmodelle“ über Jahre die Hälfte des Bankgewinns einbrachten. 2007 wurde der Hauptsitz nach Luxemburg verlegt. Im selben Jahr beschäftigte die Bank 3.500 Mitarbeiter, verwaltete ein Vermögen von 150 Milliarden Euro und war die größte deutsche Privatbank. Nach schweren Verlusten im Jahr 2008 wurde Sal. Oppenheim 2010 durch die Deutsche Bank übernommen und die Führung ausgewechselt. Heute hat das Haus noch 900 Mitarbeiter, von denen wohl demnächst weitere 500 ihre Stelle verlieren sollen.

Foto: Immobilienunternehmer Josef Esch (l.) und Ex-Bankier Christopher Freiherr von Oppenheim im Landgericht Köln: Weil alles so edel, alt und gut aussah, verzichteten viele Bankkunden und Investoren darauf, beim Geschäftsgebahren der Bank Sal. Oppenheim genauer hinzuschauen

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