© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  11/13 / 08. März 2013

„Es muß wirklich viel schlimmer werden“
Unzerstörbarer, überhistorischer Charakter: Das Institut für Staatspolitik spürte auf seiner Winterakademie der „Reaktion“ nach / Hochkarätige Vorträge
Nils Wegener

In seinem Schlußwort stellte der Historiker Karlheinz Weißmann unmißverständlich klar, daß eine totale Abkehr von der (Post)Moderne für den Rechten keine sinnvolle Option sei: „Da gibt es nur zwei Möglichkeiten: Artamanentum – oder Untergrund. (…) Das können Sie alles machen. Aber ich sage Ihnen: Das halten Sie nicht durch!“ Bei aller Abneigung gegen die deformierte Gesellschaft sei es wichtiger, eine Familie ernähren zu können; bereits das sei ein im Kern reaktionärer Akt.

Damit war die Quintessenz der 13. Winterakademie des Instituts für Staatspolitik (IfS) benannt, zu der sich 45 Teilnehmer am vorvergangenen Wochenende im niedersächsischen Bad Pyrmont eingefunden hatten. Es ging um die „Reaktion“, und bereits im ersten Vortrag über diese als geistiges Prinzip stellte Harald Seubert klar: „Reaktionär ist der Konservative, der die Bedingungen der Moderne erkannt hat.“ Mit Nicolás Gómez Dávila gehe es ihm darum, die „Brüche des Seins offenzulegen“. Bereits in der Einführung hatte Weißmann anhand des rumänischen Religionswissenschaftlers Mircea Eliade (1907–1986) die Reaktion als „Durst nach dem Heiligen“ und „Heimweh nach dem Sein“ definiert.

Im Anschluß beleuchtete der Politikwissenschaftler Felix Dirsch anhand einiger Vertreter der kritischen Reaktion auf 1789, darunter Joseph de Maistre, Louis-Gabriel-Ambroise de Bonald (der „Anti-Rousseau par excellence“) und Antoine de Rivarol, die „Politische Theologie der Gegenaufklärung“. Für viele Zuhörer war der Verweis auf eine traditionelle Linie der Freimaurerei neu, die die philosophischen Grundlagen für das Engagement der Intellektuellen gegen die aufklärerisch-reformatorischen Ansätze progressiver Logen lieferte. Wesentlich seien dabei der theosophisch angehauchte Martinismus sowie die Philosophia perennis gewesen, denen bereits die Absage an den Fortschrittsglauben innewohnte. Auch die Annahme einer Gleichgestaltigkeit von Religion und Politik sei diesen Wurzeln entsprungen, wonach laut Franz von Baader feststehe, daß „despotische Staaten (…) keine christlichen Staaten“ seien. Nicht nur über die essentielle Bindung von Reaktion an Religion beziehungsweise Transzendenz wurde im Verlauf des restlichen Abends rege unter den Akademieteilnehmern debattiert.

Den Samstag eröffnete Weißmann mit einer Darstellung reaktionärer Volksbewegungen, von der nordenglischen „Pilgrimage of Grace“ gegen Heinrich VIII. über den Aufstand in der Vendée bis hin zu den antibolschewistischen „Weißen“ des russischen Bürgerkriegs. Bemerkenswert sei die meist breite Unterstützung gegenrevolutionärer Bestrebungen durch das Volk, die jedoch brutalste Repressionen durch die Staatsgewalt nach sich zog – analog dazu steht die republikanische Darstellung des Königtums als Verkörperung des politisch Bösen, wie sie Joachim Volkmann in seiner detailreichen Darstellung der französischen Monarchie erwähnte.

In die Betonung des katholischen Traditionalismus fügte sich der Abschlußvortrags Pater Michael Weigls von der Priesterbruderschaft St. Pius X. ein, in der er den Charakter der „Reaktion“ seiner Vereinigung gegen das zweite Vaticanum verständlich und erheiternd umriß.

Bereits mittags hatte ein eilig zusammengetrommeltes Bündnis „Bunt“ mit seiner „Mahnwache gegen Rechts“ vor dem Tagungsort für belustigtes Kopfschütteln gesorgt. Der Tag wurde mit der Vorführung des episch inszenierten russischen Films „Admiral“ über die letzten Lebensjahre des antibolschewistischen Bürgerkriegsführers Koltschak beschlossen.

Die sonntäglichen Schlußvorträge hielten IfS-Geschäftsführer Erik Lehnert und der angehende Politikwissenschaftler Benedikt Kaiser. Letzterer eröffnete reaktionäre Lesarten Rousseaus, des scheinbaren Wegbereiters von 1789, indem er anhand später Schriften dessen „strukturelle Revolutionsfeindlichkeit“ (Iring Fetscher) und „Regionalismus der Vernunft“ (Henning Ritter) aufzeigte. Dennoch sei Rousseaus Gesamtwerk derart inkohärent, daß man „Rousseau mit Rousseau widerlegen“ könne.

Lehnert beleuchtete die deutsche Monarchie nach 1945 unter besonderer Berücksichtigung ihres maßgeblichen Verfechters Hans-Joachim Schoeps. Das Eintreten des Erlanger Ordinarius für die Rehabilitation des Preußentums sei mit der Suche nach Möglichkeiten zur Restauration der Monarchie einhergegangen. Gerade aufgrund der Unmöglichkeit einer verfassungsgemäßen Rückkehr zur Monarchie, deren Hauptaufgabe es letztlich sei, zu „verhindern, daß die Welt im Chaos versinkt“, mahnte Lehnert an, eines nicht aus den Augen zu verlieren: Ordnungsstiftung sei an sich bereits genuin reaktionär und nicht nur laut Kant die schwerste Aufgabe überhaupt.

Weißmanns Schlußplädoyer gegen Einsiedlermentalität rundete die Tagung schlüssig ab.

Kontakt: Institut für Staatspolitik, Büro Berlin, Telefon/Fax: 030 / 75 54 98 78

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