© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  11/13 / 08. März 2013

Blick in die Medien
Interviews? So etwas kommt nicht in Frage
Toni Roidl

Früher war alles einfacher. Da mußten sich empörte Zeitungsleser erst aufraffen, einen Leserbrief zu schreiben und abzuschicken. Heute, da in den Kommentarspalten der Online-Medien die Meinungsfreiheit ausgebrochen ist, kommen die Tugendwächter der Qualitätsmedien mit dem Löschen gar nicht mehr hinterher.

Denn immer öfter wollen die Leser nicht so wie die Artikelverfasser. Da hilft dann nur noch, den Kommentarbereich ganz zu schließen. Der Kommunalpolitiker und Parlamentsanwärter der britischen Grünen Christopher Hawtree aus Brighton geht jetzt ganz neue Wege. Das meldet der britische Guardian.

Hawtree hat der Lokalzeitung The Argus untersagt, ihn zu zitieren. Grund, so Hawtree, seien die Leserkommentare, für die er einen „great dislike“ hege. Er ziehe es fortan vor, nur noch „in anderen Zeitungen“ wörtlich wiedergegeben zu werden. Gut und schön – aber The Argus ist das einzige Blatt weit und breit in Brighton. Welche anderen meint er? Die New York Times, deren Abo er seinen Twitter-Folgern empfiehlt?

Also: Ein Politiker will Dinge beschließen, die Auswirkungen auf das lokale Leben haben, aber er will sich keiner Kritik der Betroffenen aussetzen. Als ob das nicht sein verdammter Job wäre – als Demokrat.

Der im Grunde lächerliche Vorfall wirft ein grelles Schlaglicht auf den Widerspruch der linken Maxime, angeblich als Anwalt des einfachen Volkes aufzutreten, obwohl man gerade der „Arbeiterklasse“ zutiefst mißtraut und sie für unzuverlässig und unmündig hält.

Übrigens: Die Leserkommentare zu dieser Meldung dürften Hawtree erst recht nicht gefreut haben. Im sozialen Netzwerk Twitter brach ein Sturm des Zorns über ihn herein.

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