© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  11/13 / 08. März 2013

„Fracking ist unchristlich“
Kontroverse um riskante Schiefergasfördermethoden nach US-Vorbild entbrannt / Bundesrat könnte Pläne stoppen / CSU-Politiker warnt vor ökologischer Zeitbombe
Christoph Keller

Diese Technik darf nicht zur tickenden Zeitbombe werden“, warnte vorige Woche der bayerische Umweltminister Marcel Huber. „Durch Fracking unkonventionelle Gasvorkommen zu erschließen, muß verboten bleiben, solange die Risiken für Mensch und Natur nicht sicher abschätzbar sind“, richtete der bodenständige CSU-Politiker via Süddeutscher Zeitung seinen Unionskollegen in Berlin aus. Zuvor hatte sein Amtskollege im Bundeskabinett, Peter Altmaier (CDU), sich mit Wirtschaftsminister Philipp Rösler (FDP) darauf verständigt, diese bislang vor allem in Amerika extensiv angewandte Erdgasfördertechnik (JF 5/13) lediglich in Trinkwasserschutzgebieten zu verbieten.

Doch selbst in den USA stößt Fracking auf regionalen Widerstand, dessen Härte mit dem der deutschen Anti-AKW-Bewegung vergleichbar ist. Hollywood, wie die bayerische Dauerregierungspartei meist am Puls der Zeit, hat die Suche nach Gas in der Unterwelt aufgegriffen und zum cineastischen Kleinstadtdrama „Promised Land“ verarbeitet. Matt Damon, der einen smarten Konzernvertreter mimt, trifft auf die geschlossene Front ökologisch bestens informierter Provinzler, die sich gegen die gefährliche Gasförderung stemmen.

Bis zum Altmaier-Rösler-Vorstoß haben ökologische Rücksichtnahme, politische Unentschlossenheit und eine im europäischen Rahmen fragwürdige Wirtschaftlichkeit in der deutschen Öffentlichkeit lange den Eindruck erweckt, als sei Fracking ein US-Problem. Anderer Meinung konnte nur sein, wer aufmerksam die Pressemitteilungen von Großkonzernen verfolgte oder auf Stellungnahmen aus dem Wirtschafts- und Umweltministerium achtete. So hat etwa die BASF Anfang Februar wieder einmal verlauten lassen, die Potentiale zur Förderung von Schiefergas lägen durchaus nicht allein in den USA. Auch in Deutschland, Frankreich oder Polen seien ökonomisch attraktive Ressourcen auszuschöpfen, wie der im Vorstand des Chemiekonzerns für das Öl- und Gasgeschäft zuständige Harald Schwager versicherte. Freilich müsse die BASF zuvor noch viel Forschungsarbeit leisten und „überhaupt herausfinden, ob es möglich ist, wirtschaftlich, sozial akzeptiert und umweltverträglich“ Schiefergas zu fördern. Die Kasseler BASF-Tocher Wintershall, Deutschlands letzter verbliebener größter Erdöl- und Gasproduzent, konzentriert sich beispielsweise auf die Ruhr-Konzession, insbesondere den Kreis Mettmann, den Hochsauerlandkreis sowie den Märkischen Kreis.

Ob ein Fracking-Gesetz vor der Bundestagswahl durchkommt, ist fraglich, denn im Bundesrat hat gerade Bayern und zuvor der Regierungswechsel in Hannover die Anti-Fracking-Front verstärkt. Auch das bürgerliche Unbehagen wächst, es formiert sich bereits sichtbar in dem von der Industrie bevorzugt ins Auge gefaßten norddeutschen Raum.

An der Westküste Schleswig-Holsteins, in den dank „Energiewende“ mit Windrädern „verspargelten“ Kreisen Nordfriesland und Dithmarschen, haben Kommunalpolitiker 2012 – in Übereinstimmung mit der Position des Kieler Landtags – parteiübergreifend ihre Fracking-Ablehnung signalisiert. Der Kreistag Schleswig-Flensburgs zog Mitte Januar nach. Dort sahen sich die Abgeordneten mit Anträgen auf Bodenuntersuchungen konfrontiert, die offensichtlich der Vorbereitung von Gas-Fracking dienen. Ihr Interesse an „Claims“ zwischen Nord- und Ostsee bekunden zwei Firmen aus Bayern und Berlin, von denen dem Landesamt für Bergbau, Energie und Geologie in Clausthal-Zellerfeld Anträge zur Suche nach Kohlenwasserstoffen vorliegen.

Dabei richtet sich die Begehrlichkeit der Bayern auf den Raum nördlich von Husum bis zur dänischen Grenze, während die Berliner ein Areal zwischen Husum, Heide und der Südwestecke des Kreises Schleswig-Flensburg in der Tiefe erkunden wollen. „Frühzeitig entgegentreten“ möchte Landrat Wolfgang Buschmann den Plänen des Berliner Unternehmens. Der Kreistag steht dabei in seltener Einmütigkeit hinter ihm. Ausgerechnet die Grünen-Abgeordnete Barbara Schwaner-Heitmann hantierte mit religiösen Bezügen, fuhr schweres rhetorisches Geschütz auf und geißelte Fracking als „unchristlich“, weil „schlichtweg umwelt-, menschen- und tierverachtend“ in einer Zeit, die zunehmend auf erneuerbare Energien setze. Da wollte der sonst als Streiter für Wirtschaftsförderung in der strukturschwachen Region bekannte Christdemokrat Thomas Klömmer nicht nachstehen, der vor den „unkalkulierbaren Risiken“ warnte, die für das Grundwasser von der Fracking-Technologie ausgingen. Sein SPD-Kollege Jens Maßlo wußte von „700 Stoffen“ zu berichten, die beim Hydraulic-Fracturing-Verfahren benötigt würden, um die schwer zugänglichen Gesteinsschichten „aufzulockern“. Er erinnerte damit an Initiativen aus Düsseldorf und Kiel, die im Gesetz zum Fracking nicht nur eine obligatorische Umweltverträglichkeitsprüfung, sondern auch ein Verbot giftiger Chemikalien fixiert wissen wollen.

Angesichts massiver Gegenwehr dürfte der BASF-Vorstand um die „soziale Akzeptanz“ nicht länger im unklaren sein. Da die „draußen im Lande“ fehlt, dürften Fracking-Firmen selbst bei glänzenderen wirtschaftlichen Aussichten vorerst keine Chance auf politische Beihilfe haben. Da helfen auch Versprechen wie „Wir entsorgen rückfließendes Wasser und Frac-Flüssigkeiten fachgerecht“ oder „Wir unterstützen unsere Zulieferer dabei, umweltverträglichere Flüssigkeiten für das Hydraulic Fracturing zu entwickeln“, nicht viel, die etwa Wintershall in seiner „Selbstverpflichtung für heimische Förderung“ macht.

Fracking-Studie des Umweltbundesamtes: uba.de/

 

Schiefergas-Förderung durch Fracking

Das hydraulische Aufbrechen (Frakturierung, englisch: Fracking) ist eine seit Jahrzehnten bekannte, aber erst jetzt bezahlbare Form der Energiegewinnung, bei der Wasser, Quarzsand und Chemikalien mit hohem Druck in tiefe Gesteinsschichten gepreßt werden. Dieses Gemisch soll das Gestein aufbrechen und Risse erzeugen, so daß das in den Gesteinsporen eingeschlossene Schiefergas freigesetzt wird und dann in Richtung Bohrloch strömt. Das Hauptrisiko besteht in der Verseuchung des Grundwassers, sowohl durch Bestandteile des in die Tiefe gedrückten „Chemiecocktails“ als auch durch unkontrollierbar entweichendes Gas. Keine geowissenschaftliche Expertise konnte diese Befürchtungen von Umweltschützern bislang widerlegen. Das deutsche Unternehmen Wintershall bereit derzeit in Nordrhein-Westfalen fünf Probebohrungen vor. Deren Nutzung ist aber fraglich, denn das deutsche Schiefergas liegt in besiedelten Gebieten und deutlich tiefer im Boden als Vorkommen in den USA.

Wintershall-Portal zum Fracking: www.heimische-foerderung.de

Foto: Probebohrungen zur Gasexploration von Exxon-Mobil in Lünne/Emsland: Unkalkulierbare Risiken für das Grundwasser durch Fracking?

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