© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  12/13 / 15. März 2013

Politik der offenen Arme gescheitert
Schweden: Angesichts des großen Zustroms von Asylbewerbern gerät Stockholms liberale Ausländerpolitik ins Wanken
Sverre Schacht

Schwedens Finanzminister Anders Borg als auch dessen Kollegin Gunilla Carlsson, Ministerin für Entwicklungshilfe, sind sich einig. Angesichts einer deutlichen Zunahme der Zuwanderung von Irakern, Syrern und Roma soll bisher als Zahlung für UN-Agenturen bestimmtes Geld an schwedische Flüchtlingsbehörden umgelenkt werden. Eine „Neuaufteilung von Ressourcen“ sei angesichts der Schwierigkeit bei der Unterbringung der Asylbewerber dringend notwendig.

82.597 Menschen wanderten 2012 in das nordeuropäische Land ein – „die höchste je gemessene Rate“, sagen offizielle Statistiker. Einwanderer machten demnach letztes Jahr 70 Prozent des allgemeinen Bevölkerungswachstums aus.

Damit nicht genug. Die konservativ-liberale Minderheitsregierung unter Ministerpräsident Fredrik Reinfeldt, deren Arbeit von den Grünen gestützt wird, rechnet mit einer weiteren Zuspitzung der Lage: Laut offiziellen Schätzungen wurden für dieses Jahr ursprünglich 41.000 Asylsuchende einkalkuliert. Um diesen Ansturm zu bewältigen, veranschlagte Stockholm bereits 80 Millionen Euro mehr für Asylsuchende als 2012.

Mitte Februar sagte nun das in derartigen Schätzungen erfahrene zuständige „Migrationsverket“ schon 54.000 Asylsuchende für 2013 voraus. Die aufgestockten Mittel werden somit nicht ausreichen. Diese betrugen 4,4 Milliarden Kronen (530 Millionen Euro), so das Svenska Dagbladet unter Berufung auf Regierungsangaben.

In Schwedens Staatshaushalt werden Flüchtlingshilfe im Inland und klassische Entwicklungshilfe an andere Staaten als gemeinsames Budget geführt. Bisher zahlte Stockholm so einen Großteil der rund 1,3 Milliarden Euro Entwicklungshilfe über das Außen- und Entwicklungshilfeministerium an die Vereinten Nationen. Die Gesamtkosten für die Migranten machen nun allein rund 11,6 Prozent des gesamten Hilfsbudgets aus.

Eine Umverteilung innerhalb dieses Hilfsbudgets sei daher nur logisch, argumentierte Gunilla Carlsson. Anders Borg, Finanzminister von der bürgerlich-liberalen Moderaten Sammlungspartei sagte: „Unser Ziel ist es ja, ein Prozent des Bruttonationalprodukts für Entwicklungshilfe auszugeben, und die Mittel sind deshalb ja gestiegen.“ Borg, der erst kürzlich dem Euro als Gemeinschaftswährung das Aus vorhersagte, schlug nun vor, rund zehn Prozent des jährlich an diverse UN-Agenturen gezahlten Geldes einzubehalten.

Für die oppositionellen Schwedendemokraten (SD) ging deren Vorsitzender Jimmie Åkesson hart mit dem Vorstoß ins Gericht: „Die unverantwortliche Zuwanderungspolitik mit Hilfsgeldern zu finanzieren ist reiner Wahnsinn, und diese Transferleistungen jetzt noch zu erhöhen ist geisteskrank!“ Statt in Schweden könne das Geld von den Vereinten Nationen um ein Vielfaches sinnvoller in den Herkunftsländern eingesetzt werden, so der Politiker.

Die Partei zog 2010 mit einem Wahlergebnis von 5,7 Prozent erstmals in den Reichstag ein und lag laut Telefonumfrage unter 2.300 Schweden im Oktober bei acht Prozent. Im Januar sprach eine Umfrage von „Demoskop“ sogar von 9,2 Prozent Wählergunst. Åkessons Partei wendet sich als einzige im Reichstag gegen die von allen anderen Parteien getragene Finanzierung von Einwanderung aus der Entwicklungshilfe.

Dagegen gerät die bürgerliche Minderheitsregierung angesichts der Entwicklung zunehmend unter Druck, auch weiterhin eine einwanderungs- und asylfreundliche Politik zu propagieren. Erste Stimmen, wie der Migrationsminister Tobias Billström, sprechen von „unhaltbaren“ Zuständen und der Notwendigkeit, das „Volumen“ der Zuwanderung zu begrenzen. Doch Regierungschef Reinfeldt blockt und erklärt: Die „Immigration bereichert Schweden“.

Derweil stellte Integrationsminister Erik Ullenhag ein Fünf-Millionen-Euro-Programm vor, das die Integration der Zuwanderer fördern soll. Der Inhalt des Papiers offenbart die Art der Integrationsprobleme: Kinder und Jugendliche sollen mit den Mitteln zur Teilnahme am Schulunterricht motiviert werden.

Foto: Malmös Problemviertel Rosengård: Bei der Unterbringung der Flüchtlinge tun sich die schwedischen Behörden zunehmend schwer

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