© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  12/13 / 15. März 2013

Nur eine gutgemeinte Illusion
Sozialpolitik: Sozialdemokratisch orientierte Ökonomen halten das bedingungslose Grundeinkommen für einen gefährlichen politischen Irrweg
Fabian Schmidt-Ahmad

In einer höheren Phase der kommunistischen Gesellschaft“, so träumte Karl Marx in seiner Kritik des Gothaer Programms, nachdem „die Arbeit nicht nur Mittel zum Leben, sondern selbst das erste Lebensbedürfnis“ geworden sei, könne erst das kommunistische Ideal verwirklicht werden: „Jeder nach seinen Fähigkeiten, jedem nach seinen Bedürfnissen!“ Angesichts dieser Forderung ist es nicht verwunderlich, daß das Konzept des Grundeinkommens vor allem innerhalb der rot-rot-grünen Linksparteien auf breite Resonanz gestoßen ist. Verspricht das Konzept doch, mit einfachen Mitteln genau diesen vom einflußreichsten sozialistischen Theoretiker ausgemalten Zustand herzustellen.

Bemerkenswert ist es daher, wenn nun mit „Irrweg Grundeinkommen“ eine scharfe Abrechnung mit diesem Konzept vorliegt. Stammt die Publikation doch von früheren Wissenschaftlern des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), welches als Gralshüter sozialdemokratischer Umverteilungspolitik galt. Erst unter dem Chef Klaus Zimmermann wandte sich das DIW von Gewerkschaftspositionen weitgehend ab. Doch weder die bekannte Initiative eines mehrwertsteuerfinanzierten „bedingungslosen Grundeinkommens“ (JF 29/08), das aus den Reihen der Linkspartei stammende „emanzipatorische Bürgergeld“, noch das in liberalen Kreisen favorisierte „solidarische Bürgergeld“ (JF 20/07) einer negativen Einkommenssteuer finden Zuspruch bei den Wirtschaftsexperten.

Hauptstoßrichtung der Kritik des Autorenkollektivs um den früheren Finanzstaatssekretär und früheren Chefvolkswirt der UN-Organisation für Welthandel (Unctad), Heiner Flassbeck, ist, daß das Konzept des Grundeinkommens die wirtschaftlichen Voraussetzungen für eine „echte“ Umverteilungspolitik schädigt: „Die Freiheit des einen, nicht am Erwerbsleben teilzunehmen, auch wenn er dazu in der Lage wäre, führt zum Zwang für andere, eben diese Freiheit des einen durch ihre eigene Arbeit und ihre eigene Bereitschaft, deren Früchte zu teilen, zu ermöglichen.“ Eine Kritik, die schlußendlich alle Spielarten eines Grundeinkommens trifft.

Versucht man durch ein Grundeinkommen dieses Gesetz zu umgehen, so erreicht man nichts anderes als eine schleichende Geldentwertung. Denn einer solchermaßen nominal ausgeweiteten Kaufgeldmenge steht eine schrumpfende Menge an Konsumgütern gegenüber. Das hat letztlich als Konsequenz zur Folge, daß diejenigen, die auf ein Grundeinkommen unbedingt angewiesen sind, unter Druck geraten. „Am Ende werden die heutigen Transferempfänger, die ja gute Gründe für ihre Transferansprüche haben, die Verlierer sein.“ In ihrem Kern stellen daher die verschiedenen Konzeptionen eines Grundeinkommens letzlich eine neoliberale Vorstellung dar, welche die Gesellschaft von vornherein als einen permanenten Reperaturbetrieb für, ökonomisch notwendig auftretende, soziale Ungleichheiten betrachtet.

Diese sei aber längerfristig nicht mit der Vorstellung eines demokratisch verfaßten Gemeinwesens vereinbar. Polemisch sprechen die Autoren davon, daß angesichts dessen ein Ständestaat in seiner Grundstruktur ehrlicher aufgebaut sei, da dieser kein „utopisches Schlaraffenland“ zeichne, welches aber eine „Augenwischerei“ darstelle und hinter dem sich lediglich eine Ausweitung und Stabilisierung herrschender Ungleichheitsverhältnisse verberge.

Statt sich Gedanken über nachträgliche, massive gesellschaftliche Eingriffe zu machen, empfehlen die Autoren daher, nach Wegen zu suchen, diese sozialen Mißverhältnisse gar nicht erst in diesem Maße zuzulassen. Wie das zu bewerkstelligen sei, darin bleiben sie allerdings undeutlich. Unter anderem plädieren sie, „an den Stellschrauben Mindestlohn und sinnvolle Abstimmung von Steuer- und Transfersystemen“ zu drehen.

Heilsbringenden Großentwürfen stehen die vier Autoren jedenfalls skeptisch gegenüber: „Der große Befreiungsschlag, den viele sich erhoffen, ist eine schöne Illusion und dürfte sich am Ende als Hammerschlag erweisen, der die Falschen trifft und viel zerbrochenes gesellschaftliches Porzellan zurückläßt.“

Seit seiner Pensionierung als Unctad-Chefvolkswirt betreibt Heiner Flassbeck eine keynesianisch orientierte Ökonomen-Plattform: www.flassbeck-economics.de

Heiner Flassbeck, Volker Meinhardt u.a.: Irrweg Grundeinkommen. Westend Verlag, Frankfurt 2012, 224 Seiten, broschiert, 16,99 Euro

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen