© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  13/13 / 22. März 2013

„Das wird die neue Partei tragen“
Der Wirtschaftswissenschaftler und bekannte Euro-Kritiker Joachim Starbatty ist Mitbegründer der „Alternative für Deutschland“. Sein neues Buch „Tatort Euro“ will er als Leitfaden für die neue politische Formation verstanden wissen.
Moritz Schwarz

Herr Professor Starbatty, Sie betrachten Ihr eben erschienenes Buch „Tatort Euro“ als eine Art Leitfaden für die neue Partei „Alternative für Deutschland“ (AfD)?

Starbatty: Richtig. Ich will die Menschen nicht nur informieren, sondern auch aufrufen, aktiv auf die Politik Einfluß zu nehmen. Die Politiker speisen uns Bürger mit Beruhigungspillen ab; teilweise wissen sie auch selbst nicht, was auf der politischen Bühne gespielt wird.

Deshalb findet sich auf dem Buchtitel auch ein Appell anstelle des sonst bei Sachbüchern üblichen Untertitels?

Starbatty: Ja: „Bürger, schützt das Recht, die Demokratie und euer Vermögen!“ Wir müssen wach werden. Wir müssen das werden, was die Politiker in ihren Sonntagsreden immer beschwören, tatsächlich aber fürchten wie der Teufel das Weihwasser: mündige Bürger!

Sie wollen also zur politischen Tat anstiften?

Starbatty: Ich selbst war als Professor immer auch engagierter Staatsbürger.

Bei der Auftaktveranstaltung der künftigen Partei AfD am Montag letzter Woche in Oberursel saßen Sie als Mitglied des Gründungsvereins „Wahlalternative 2013“ auf dem Diskussionspodium.

Starbatty: Es war ein phantastisches Erlebnis, der Zuspruch der Bürger war überwältigend. Obwohl in einer Kleinstadt abgehalten, platzte die Veranstaltung aus allen Nähten. Ich hatte mit vielleicht vierhundert Besuchern gerechnet, aber dann sah ich, wie immer mehr Bürger in den Saal strömten, wie die Galerien geöffnet, die Trennwände abgebaut werden mußten, um Platz zu schaffen. Und selbst die Zuhörer, die während der ganzen Veranstaltung ganz hinten und mühsam auf Zehenspitzen stehen mußten, sind bis zum Schluß geblieben.

Am Ende waren es rund 1.300 Interessierte. Wie erklären Sie sich diesen Ansturm?

Starbatty: Da strömte vor allem das mittlere Bürgertum zusammen, wahrscheinlich vor allem CDU- und FDP-Wähler, viele mit Krawatte, im Schnitt wohl so um die Vierzig. Mein Eindruck war, die Leute sind von der Politik und den Parteien enttäuscht. Die Partei-gründer sind Idealisten, die um unser Gemeinwesen besorgt sind. Die AfD will keine weitere Partei sein, deren Politiker von der Politik, sondern für die Politik leben.

Warum sind diese Bürger enttäuscht?

Starbatty: Demokratie heißt, auf die Probleme und Nöte der Bürger einzugehen. Doch genau das Gegenteil tun die Parteien. Sie versuchen den Bürgern in der Euro-Krise ihre realen Sorgen auszureden. Sie nicken im Bundestag ab, was die Regierung ihnen vorlegt, sogar wenn sie sich dabei über das Recht hinwegsetzt – selbst die CSU, die für mich nur noch eine „Schaukelpartei“ ist: Denn da, wo sie nichts verändern kann, tritt sie hart und energisch auf; wo sie aber tatsächlich die Möglichkeit hätte, etwas zu beeinflussen, ist sie weich und nachgiebig. Würde die CSU sagen: „Wir machen diesen Euro-Rettungswahnsinn nicht mehr mit!“, dann wäre es vorbei. Sie hätte die Möglichkeit dazu, aber sie tut es nicht. Nein, die CSU streut den Leuten nur Sand in die Augen. So beschränken sich also alle Fraktionen im Bundestag darauf, Demokratie zu spielen; man praktiziert sie nicht mehr. Deshalb müssen sich die Bürger neu organisieren.

Um was zu tun?

Starbatty: Um sich gegen ihre politische Entmündigung wie gegen ihre ökonomische Enteignung zu wehren, die in der Euro-Rettungspolitik zusammenfällt.

Konkret?

Starbatty: Von der Politik wird so getan, als sei die Rettung des Euro und die Rettung der Euro-Zone das gleiche.

Ist es nicht?

Starbatty: Im Gegenteil: Die Politik ist gerade dabei, einen stabilen Euro zu opfern, um die Euro-Zone zu retten.

Inwiefern?

Starbatty: In der Nacht des Euro-Gipfels vom 7. auf den 8. Mai 2010 ...

„Die Nacht, in der der Euro gerettet wurde“, wie die „FAZ“ schrieb ...

Starbatty: Ich sage: Die Nacht, die Europa veränderte. Tatsächlich wurde in dieser Nacht nicht der Euro gerettet. Gerettet wurde die Euro-Zone – das Recht aber wurde gemeuchelt.

Das also meint Ihr Buch mit seinem Titel „Tatort Euro“?

Starbatty: Diese Brüsseler Euro-Konferenz war der eigentliche Tatort. Denn bis dahin galt – ich erinnere an den Vertrag von Maastricht –, daß der Euro stabil zu halten ist und jedes Land finanziell für sich selbst verantwortlich ist. Aber entweder hält die Politik den Euro stabil oder sie hält die Euro-Zone zusammen. Beides zugleich geht nicht. Dann kam die Nacht der Entscheidung und man entschied sich – für die Euro-Zone. Seitdem gilt ein Euro als „stabil“, nicht etwa, wenn sein Geldwert stabil bleibt, sondern wenn die Euro-Zone zusammengehalten wird. Folglich ist selbst ein inflationierter Euro „stabil“. Damit wurden die Verträge, auf denen der Euro ruhte, also das Recht, gebrochen. Und schließlich wurden „Euro-Rettungs“-Institutionen geschaffen, die vom Bürger nicht legitimiert sind und deren Wirken zudem in keiner Weise dem demokratischen Gebot der Transparenz entspricht. Am Ende kommt es in der rechtswidrigen Haftungsgemeinschaft zu einer massiven Enteignung der Bürger. Also: Verrat an der Währung, Bruch des Rechts, Preisgabe der Demokratie und Ausplünderung der Bürger – das sind die „Kapitalverbrechen“, die an diesem „Tatort“ begangen wurden.

Das erste Kapitel Ihres Buches heißt: „Den Deutschen wird genommen, woran sie hängen“. Eine sehr emotionale Überschrift in einem Sachbuch.

Starbatty: Eine freie Bürgergesellschaft ruht nicht nur auf den Grundfesten Recht, Demokratie und Eigentum, sondern auch auf emotionalen Faktoren. Für die Deutschen war Europa immer ein zentraler Bezugspunkt; die D-Mark stand für das deutsche Wirtschaftswunder und deutsche Tüchtigkeit. Die Deutsche Bundesbank war das Symbol dafür. Jacques Delors sagte spottend und bewundernd zugleich: „Nicht alle Deutschen glauben an Gott, aber alle Deutschen glauben an die Bundesbank.“ Ich beschreibe, wie all das den Deutschen jetzt genommen worden ist. Wie ihnen Europa entfremdet, Sicherheit gegen Hoffnung eingetauscht wurde und wie diese Hoffnung nun enttäuscht wird.

Euro-kritische Bücher haben Konjunktur. Was unterscheidet Ihr Buch von anderen?

Starbatty: Mein Buch lebt auch aus meinen persönlichen Erfahrungen. Ich habe die Gründungsväter der Europäischen Integration – Alfred Müller-Armack, Hans von der Groeben, Walter Hallstein und nicht zuletzt auch Ludwig Erhard – noch persönlich gekannt. Ich habe mit meinen Kollegen und Freunden vor dem Bundesverfassungsgericht gegen die vorzeitige Einführung des Euro und gegen die Rechtsbrüche gekämpft. Insofern ist mein Buch auch ein Stück Autobiographie. Ich wollte ein Buch schreiben, das näher am Bürger, näher an der Politik und näher an der praktischen Problemlösung ist.

Wie ist es Ihnen gelungen, als eher konservativer Professor den linken Literaten Hans Magnus Enzensberger für ein Vorwort zu Ihrem Buch zu gewinnen?

Starbatty: Herr Enzensberger ist kein Linker, sondern ein klar denkender Mensch. Er wehrt sich gegen bevormundenden Euro-Zentrismus und einengende Bürokratie. Er will die Freiheit des Bürgers. In diesem Sinne habe ich ein Porträt von ihm für die Neue Zürcher Zeitung „gezeichnet“. Als ich zusammen mit vier Kollegen gegen die „Euro-Rettungspolitik“ vor dem Bundesverfassungsgericht klagte, hat er mir anläßlich unseres Gangs nach Karlsruhe im letzten Herbst als Dank und Aufmunterung einen Euro-kritischen Text aus seiner Feder zugeschickt und mir Glück gewünscht. Im Gegenzug habe ich ihn um eine Einführung für mein Buch gebeten. Diese hat Herr Enzensberger mit viel Witz in Form eines „Quiz“ gestaltet, das eben jenes Zusammenfallen von politischer Entmündigung und ökonomischer Enteignung der Bürger aufzeigt.

Wie hat man sich diese vorzustellen?

Starbatty: Ludwig Erhard hat einmal gesagt, die unsozialste Steuer von allen sei die Inflation. Wer wird denn darunter leiden, wenn die Vermögen der Bürger vernichtet werden? Es werden vor allem die kleinen Sparer sein, die nicht die Möglichkeit haben, ihr Vermögen zu retten. Und es werden die Rentner sein. Denn wer in die Rentenversicherung einzahlt, der baut damit ja bekanntlich kein Vermögen auf, sondern erwirbt lediglich einen Anspruch, der später ganz im Belieben der Politik steht. Und wenn erst auch die SPD-Wähler merken, was die von Helmut Schmidt ausgegebene Parole für sie bedeutet – wir müßten für die Wiederaufnahme in die europäische Völkergemeinschaft nach 1945 ewig dankbar sein und dafür auch zahlen und das nicht einmal für die Bürger in den Krisenländern, sondern für die Banken –, dann werden Parteien wie die AfD auch aus diesem Milieu Unterstützer und Wähler zufließen.

Am 14. April soll aus der bisherigen „Wahlalternative 2013“ auf einem Gründungsparteitag die AfD werden. Sie allerdings wollen diesen Schritt gar nicht mitgehen.

Starbatty: Ich habe vor zwanzig Jahren schon einmal eine Euro-kritische Partei, den liberalen „Bund freier Bürger“, gegründet. Ich glaube, damit habe ich meine staatsbürgerliche Pflicht erfüllt. Ich bin inzwischen immerhin 72 Jahre alt und werde mich daher zur Unterstützung der AfD auf eine beratende Funktion beschränken. Professor Bernd Lucke, der derzeitige Hauptorganisator, hat mich gebeten, künftig dem wissenschaftlichen Beirat der Partei vorzustehen. Das will ich gerne tun.

Der „Bund freier Bürger“ (BfB) ist damals grandios gescheitert. Warum sollte es der „Alternative für Deutschland“ besser gehen?

Starbatty: Der Zuspruch für den BfB, der ja 1994 gestartet ist, war nie so groß, wie er schon jetzt für die AfD ist; das wird die Partei tragen. Die Deutschen hatten in den neunziger Jahren noch keine klare Vorstellung davon, was der Euro tatsächlich bringen würde. Jetzt dagegen ist es offenbar, und sie fangen an, es am eigenen Leib zu spüren.

Warum aber unterstützen Sie die AfD und nicht die schon bereits existierenden eurorettungskritischen „Freien Wähler“ (FW)?

Starbatty: Ich wollte mich für die FW im niedersächsischen Landtagswahlkampf im Januar dieses Jahres engagieren. Aber die geplanten Veranstaltungen sind nicht zustande gekommen. Ich hoffe jedoch, daß es ein Zusammengehen von FW und der AfD geben wird.

Noch überlegen die Gründer der „Alternative für Deutschland“, ob die Partei überhaupt zur Bundestagswahl antreten soll. Wenn nicht, welchen Sinn hat sie dann?

Starbatty: In der Tat meine ich, daß man, wenn irgend möglich, im Herbst antreten muß, wenn die AfD noch etwas bewegen will. Gerade deshalb appelliere ich, sich mit den FW zusammenzutun, die ja schon eine gewisse Infrastruktur haben. Ich glaube, beide zusammen haben eine reelle Chance, in den Bundestag einzuziehen – wenn alles klappt und keine Fehler gemacht werden. Ansonsten freuen sich die etablierten Parteien gemäß der Devise: „Divide et impera“, „Spalte und herrsche“.

Bisher sind allerdings sämtliche bürgerlichen Alternativen früher oder später mit Pauken und Trompeten gescheitert.

Starbatty: In einer freiheitlichen Gesellschaft gibt es keine Garantie auf Erfolg; aber wissen Sie, in Israel habe ich einmal einen beeindruckenden Satz gelernt. Die Menschen in diesem Land sagen: „Wer nicht an Wunder glaubt – der ist kein Realist.“ Das wäre doch ein schönes Motto für die „Alternative für Deutschland“.

 

Prof. Dr. Joachim Starbatty, zählt zu den bekanntesten Euro-Kritikern und ist seit Beginn der Krise nicht nur gefragter Gesprächspartner der Presse, wie Spiegel, Focus, FAZ oder Süddeutsche, sondern auch, wie die taz schreibt: „Dauergast im Fernsehen (...) und das so häufig, daß er inzwischen auf der Straße erkannt wird.“ Bekanntheit erlangte er zuvor schon durch seine Klagen vor dem Bundesverfassungsgericht gegen die Einführung des Euro und gegen die Euro-Rettungspolitik, zusammen mit seinen Kollegen Karl Albrecht Schachtschneider, Wilhelm Nölling und Wilhelm Hankel, mit denen er 2001 auch den Band „Die Euro-Illusion“ veröffentlichte. Nun ist sein neues Buch erschienen: „Tatort Euro. Bürger, schützt das Recht, die Demokratie und euer Vermögen“. Geboren wurde der Tübinger Volkswirtschaftler 1940 in Düsseldorf. Starbatty ist Mitglied des Gründungsvereins der Partei „Alternative für Deutschland“.

www.alternativefuer.de

Foto: „Tatort Euro“: „Verrat an der Währung, Bruch des Rechts, Preisgabe der Demokratie, Ausplünderung der Bürger – das sind die ‘Kapitalverbrechen’, die an diesem ‘Tatort‘ begangen wurden“

 

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