© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  13/13 / 22. März 2013

Anweisungen aus dem VW-Bus
Dresden: Prozeßauftakt gegen Jugendpfarrer Lothar König ist geplatzt
Hinrich Rohbohm

Fehlstart im Prozeß gegen den linksradikalen Stadtjugendpfarrer von Jena, Lothar König. Eigentlich hätte am Dienstag der Verhandlungsauftakt gegen den 59 Jahre alten Theologen vor dem Amtsgericht Dresden stattfinden sollen. Die Dresdner Staatsanwaltschaft legt dem Ex-Grünen, der seit 2004 dem Stadtrat von Jena angehört, schweren aufwieglerischen Landfriedensbruch, Nötigung und Strafvereitelung zur Last.

Doch daraus wird zunächst nichts. Der Grund: Laut Königs Rechtsanwalt Johannes Eisenberg seien Ende vergangener Woche 100 ungeordnete Seiten in den Prozeßakten aufgetaucht, die ihm zuvor noch nicht bekannt gewesen seien. Das Amtsgericht konnte bisher noch nicht klären, wie das Material in die Akten gekommen ist und warum die Verteidigung davon keine Kenntnis erlangt hatte. Sie hob daher den geplanten Eröffnungstermin auf.

König wird vorgeworfen, am 19. Februar 2011 mit seinem als Dienstwagen genutzten VW-Bus an linksextremistischen Demonstrationen gegen den Dresdner Trauermarsch rechtsextremer Gruppen teilgenommen und zu Gewalt aufgerufen zu haben. „Deckt die Bullen mit Steinen ein“, sei durch die auf dem Autodach seines Wagens befestigte Lautsprecheranlage gerufen worden. Daraufhin seien tatsächlich Steine auf Polizeifahrzeuge geworfen worden. Bei den Ausschreitungen wurden zahlreiche Beamte verletzt.

Darüber hinaus soll König versucht haben, mit seinem Bus einen Einsatzwagen der Polizei von der Straße zu drängen, und verdächtige Gewalttäter in sein Fahrzeug aufgenommen haben. Im August hatte ein Einsatzkommando der sächsischen Polizei das Haus der von König betreuten Jungen Gemeinde in Jena durchsucht und dabei seinen Computer und den VW-Bus beschlagnahmt. Der Einsatz wurde insbesondere von den Grünen-Politikern Katrin Göring-Eckardt und Monika Lazar kritisiert, weil er außerhalb Sachsens auf dem Hoheitsgebiet Thüringens erfolgte. Dessen Justizminister Holger Poppenhäger (SPD) hatte Zweifel daran geäußert, ob die thüringischen Behörden von dem Einsatz informiert und eingebunden waren.

Im Vorfeld der nun geplatztenVerhandlungen hatte der Beschuldigte die ihm vorgeworfenen Taten bestritten. Seine Position: Als Seelsorger habe er nur Deeskalation betreiben wollen.

Am Dienstag ist er erneut per Lautsprecherbus angereist. Zusammen mit rund 50 Unterstützern aus der linken Szene. Statt auf der Anklagebank bringt er sich nun mit seinen Sympathisanten vor dem Gerichtsgebäude mit mitgebrachten Transparenten für die Medien in Pose. Schilder mit durchgestrichenen Hakenkreuzen säumen den Eingang. Auf einem Transparent sind zwei händchenhaltende Polizisten abgebildet. „Hand in Hand gegen die sächsistische Kackhsch...“, steht darauf.

Beflügelt von der Gerichtspanne gibt König den Medien fröhlich Interviews. „Inakzeptabel“ nennt er die Arbeitsweise der Richter. Wenn alle Gerichte so arbeiten würden, wäre sein Vertrauen in den Rechtsstaat bald erloschen, sagt er. Und spielt damit auf das neu aufgetauchte Material an, das geeignet sei, ihn zu entlasten. Darunter befinde sich auch ein Polizeivideo von der damaligen Demonstration, das beweise, daß er zur Tatzeit gar nicht vor Ort gewesen sei, behauptet König.

Der Prozeß gegen den Jugendpfarrer ist heikel. Denn der Mann mit dem großen grauen Rauschebart ist eine Symbolfigur des an Gorbatschow orientierten Reformkommunismus. Zu DDR-Zeiten hatte er die Montagsdemonstrationen mitorganisiert. Der von ihm geleitete Jugendtreff in Jena gilt als Anlaufpunkt linksradikaler Gruppierungen, auf die er einen nicht unerheblichen Einfluß auszuüben scheint. Auf der anderen Seite gilt König aber auch als Feindbild von Rechtsextremisten, die ihn 1997 vor dem Jugendtreff angegriffen und ihm Gesichtsverletzungen zugefügt hatten. Ein Jahr später hatte die Polizei einen Angriff von Rechtsextremisten auf den Jugendpfarrer verhindern können.

Unterstützt wird König unter anderem von seiner Tochter Katharina, die für die Linkspartei dem Thüringer Landtag angehört und unter anderem auch im dortigen NSU-Untersuchungsausschuß vertreten ist. Auch der Jenaer Oberbürgermeister Albrecht Schröter (SPD), der Sänger der Musikgruppe „die Prinzen“, Sebastian Krumbiegel, und Christof Ziemer, einstiger Aktivist der Friedensbewegung in der DDR haben sich mit dem Angeklagten solidarisiert.„Alles andere als ein Freispruch wäre ein Witz“, ist ein linker Sympathisant Königs denn auch überzeugt. Der Prozeß soll nun voraussichtlich Anfang April beginnen.

Foto: Lothar König und seine Anhänger am Dienstag vor dem Gerichtsgebäude: Demo statt Prozeß

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