© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  13/13 / 22. März 2013

Aus Haß wird Ernst
Islamismus: Die Bundesanwaltschaft ermittelt gegen vier Terrorverdächtige, die offenbar einen Anschag auf Pro-NRW-Chef Markus Beisicht planten
Christian Schreiber

Auf diese Form der Bestätigung hätte er sicher verzichten können. Seit Jahren warnt Markus Beisicht, Vorsitzender der rechten Regionalpartei Pro NRW, vor den Gefahren des radikalen Islamismus. Jahrelang wurden ihm von Vertretern der etablierten Politik „Hetze und Übertreibungen“ vorgeworfen.

Mittwoch vergangener Woche wurde bekannt, daß extremistische Salafisten einen Mordanschlag auf den islamkritischen Leverkusener Stadtrat geplant haben. Die Polizei hatte noch in der Nacht insgesamt vier Personen aus dem militanten islamistischen Spektrum – die beiden deutschen Konvertiten Marco G. und Enea B. sowie Koray D. und Tayfun S. – festgenommen, zwei von ihnen in unmittelbarer Nähe von Beisichts Wohnhaus. Während der anschließenden Durchsuchung einer Wohnung in Bonn wurden etwa 600 Gramm Ammoniumnitrat, mit dem Sprengstoff hergestellt werden kann, und eine Schußwaffe samt Munition sichergestellt.

Der zunächst mit den Ermittlungen betraute Dortmunder Staatsanwalt Henner Kruse sagte auf einer Pressekonferenz zum Stand der Ermittlungen: „Die Verdächtigen schweigen bislang alle. Sie hatten im Auto aber keine Waffen dabei. Offenbar ging es darum, die Gewohnheiten Beisichts auszukundschaften.“

Bei den weiteren Festnahmen in Essen und Bonn stellte die Polizei auch eine Namensliste mit führenden Mitgliedern von Pro NRW sicher. Ob mit dem in Bonn gefundenen Sprengstoff noch andere Taten geplant waren, konnte die Staatsanwaltschaft zunächst ebensowenig sagen, wie ob es sich bei der Liste, die neben Beisichts auch die Namen von acht weiteren Mitgliedern von Pro NRW umfaßte, um eine Todesliste handelt. Recherchen der Westfälischen Allgemeinen Zeitung ergaben, daß auf das Konto der vier Festgenommenen auch der im Dezember wegen eines Zündfehlers gescheiterte Bombenanschlag auf den Bonner Hauptbahnhof gehen könnte. Außerdem soll der Tatverdächtige Koray D. im Jahr 2011 unmittelbar vor dem Eintritt in den Polizeidienst in Bremen gestanden haben.

Radikale Islamisten hatten bereits im vergangenen Jahr während des Landtagswahlkampfs in Nordrhein-Westfalen in Videobotschaften dazu aufgerufen, Pro-NRW-Funktionäre zu ermorden. Die Rechtspartei hatte während einer Kundgebungsserie an mehreren Orten Karikaturen des Propheten Mohammed gezeigt, wobei es teilweise zu schweren Ausschreitungen seitens der Salafisten gekommen war, 29 Polizisten verletzt und mehrere Polizeifahrzeuge demoliert worden waren (JF 20/12).

Der nordrhein-westfälische Innenminister Rolf Jäger hatte Pro NRW daraufhin vorgeworfen, „mit dem Feuer zu spielen“ und eine Eskalation heraufzubeschwören. Auch angesichts des vereitelten Mordanschlags auf Beisicht nahm Jäger nichts von dieser Kritik zurück. Gegenüber dem Kölner Stadtanzeiger sagte er, Pro NRW schüre durch „schäbige Hetzkampagnen“ Ausländerhaß. Das sei „erbärmlich und gefährlich für unser Land“. Die Hetze rechtfertige aber kein gewalttätiges Vorgehen. „Die meisten bei uns lebenden Muslime sind friedlich und wollen mit extremistischen Salafisten nichts zu tun haben“, betonte Jäger.

Den mutmaßlichen Attentätern waren die Ermittler offenbar schon länger auf der Spur. So sind Wohnungen, Telefone und Autos der Salafisten über Wochen abgehört worden. Das Nachrichtenportal Spiegel Online berichtet, die zwei in Leverkusen festgenommenen Islamisten hätten im Auto davon gesprochen, „daß es passieren könne, wenn er morgen zur Arbeit fährt“.

Markus Beisicht zeigte sich schockiert von dem geplanten Anschlag (siehe untenstehendes Interview). Der Leverku-sener Bürgermeister Friedrich Busch (FDP) erklärte dagegen mit Blick auf Beisicht, die Zielperson der Islamisten: „Er sieht aus wie ein Biedermann und artikuliert sich auch so. Aber er ist ein geistiger Brandstifter.“

Bei soviel Zynismus blieb dem Generalsekretär von Pro NRW, Markus Wiener, nur noch die ernüchternde Frage: „Warum wird eigentlich in vielen Medienberichten, aber auch politischen Stellungnahmen wie von NRW-Innenminister Jäger, eine latente Gleichsetzung von Opfer und Täter vorgenommen?“

Unterdessen teilte am Montag die Bundesanwaltschaft in Karlsruhe mit, sie habe die Ermittlungen gegen die vier Tatverdächtigen von der Staatsanwaltschaft Dortmund übernommen. Zugleich wurde das Bundeskriminalamt mit den polizeilichen Ermittlungen beauftragt. Denn den Festgenommenen wird vorgeworfen, „eine inländische terroristische Vereinigung radikal-islamistischer Prägung gebildet zu haben“. Weitere Ermittlungen gehen auf den Verdacht der Vorbereitung einer schweren staatsgefährdenden Gewalttat und der Verabredung zum Mord sowie weiterer Straftaten zurück.

Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) hatte am Donnerstag vergangener Woche die salafistische Organisation „Millatu Ibrahim“ verboten sowie ein vereinsrechtliches Ermittlungsverfahren gegen die Vereine „Die wahre Religion“ (DWR) und „DawaFFM“ eingeleitet. Friedrich begründete sein Vorgehen damit, daß die verbotenen Organisationen eine „aggressiv-kämpferische Grundhaltung“ offenbart und die Moslems in Deutschland „zum aktiven Kampf gegen die verfassungsmäßige Ordnung“ aufgerufen hätten.

 

Salafisten in Deutschland

Rund 3.800 Personen bekennen sich in Deutschland laut Verfassungsschutz zur salafistischen Lesart des Islam. Ein gewisser regionaler Schwerpunkt hat sich dabei in Nordrhein-Westfalen gebildet.

Der Salafismus (von „as-salaf as-salih“, die frommen Altvorderen) vertritt die Auffassung, daß der Geist der ersten islamischen Gemeinde auch als Vorbild für eine moderne islamische Gemeinschaft dienen sollte. Erklärtes Ziel der Salafisten ist die Missionsarbeit („Da’wa“), die Einheit aller Moslems und die unbedingte Berufung auf den Koran sowie die prophetische Tradition (Sunna).

In Deutschland sind es häufig Moslems (auch gerade Konvertiten), die sich an den Rand der Gesellschaft gedrängt fühlen. Ihnen möchte man – auch durch Provokationen – die „Ehre“ wiedergeben. Treffpunkte waren Organisationen wie der (offiziell aufgelöste) Verein „Einladung zum Paradies“. Im vergangenen Jahr traten die Salafisten mit der Aktion „Lies!“ in zahlreichen deutschen Städten in Erscheinung, bei der sie kostenlose Exemplare des Koran verteilten.

Bezüglich ihres Gefahrenpotentials stellte Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) einmal fest: „Nicht jeder Salafist ist ein Terrorist; aber fast alle bislang in Erscheinung getretenen islamistischen Terroristen waren irgendwann einmal in salafistischen Kreisen unterwegs.“

Angesichts der jüngsten Vereinsverbote sagte der Chef des Bundesverfassungsschutzes Hans-Georg Maaßen: „Die meisten Propagandisten sind zwar nicht gewalttätig, aber sie rufen zur Gewalt auf, hetzen gegen sogenannte ’Ungläubige‘. Es besteht die Gefahr, daß einzelne Anhänger so indoktriniert werden, daß sie Gewalttaten begehen.“

Einer der bekanntesten Salafisten in Deutschland ist der ehemalige Profiboxer Pierre Vogel alias Abu Hamza (JF 49/10).

 

Terrorpläne und Anschläge

31. Juli 2006

Auf dem Kölner Hauptbahnhof deponieren Jihad H. und Youssef H. in zwei Regionalzügen Kofferbomben. Nur wegen handwerklicher Fehler detonieren sie nicht.

4. September 2007

Spezialeinheiten der Polizei nehmen Mitglieder der sogenannten Sauerland-Gruppe fest. Sie wollten im Namen des Islams Autobomben vor US-Militäreinrichtungen in Deutschland zünden.

23. September 2008

Drei türkischstämmige Jugendliche versuchen in Köln, zwei Polizisten die Waffen zu entwenden, um damit amerikanische Einrichtungen anzugreifen.

2. März 2011

Der islamistische Kosovo-Albaner Arid Uka tötet am Flughafen Frankfurt zwei US-Soldaten und verletzt zwei weitere.

Mai 2012

Bei Ausschreitungen von Salafisten während Pro-NRW-Kundgebungen in Solingen und Bonn werden über 20 Polizisten zum Teil schwer verletzt.

10. Dezember 2012

Im Hauptbahnhof Bonn wird eine mutmaßlich von Islamisten abgestellte Kofferbombe entdeckt und von der Polizei gesprengt.

Foto: „Tod der Pro NRW“: Videobotschaft des salafistischen Terror-Predigers Abu Ibrahim mit Mordaufruf gegen führende Mitglieder der islamkritischen Partei

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