© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  13/13 / 22. März 2013

Christliche Erziehung unerwünscht
Adoptionsstreit zwischen Spanien und Marokko: Islamistische Regierung besteht auf Erziehung der adoptierten Kinder zum islamischen Glauben
Michael Ludwig

Fast 20 Jahre lang galt für kinderlose spanische Ehepaare Marokko als Adoptionsparadies. Die Gesetzgebung war transparent, die Behörden zeigten sich entgegenkommend, und die Babys aus den Waisenhäusern des arabischen Staates machten einen gesunden und lebendigen Eindruck.

Über 250 elternlose Kinder fanden 2011 eine neue Familie. In den Jahren davor dürften es ähnlich viele gewesen sein. Doch damit ist jetzt Schluß. Seit die Islamisten in Marokko in der Regierung sitzen, wird die Kafala – das islamische Adoptionsrecht – rigoros ausgelegt und Kinder grundsätzlich nicht mehr zur Adoption freigegeben, wenn die Eltern nicht ständig in Marokko wohnen.

Nach Angaben spanischer Medien hat Marokkos Innenminister Mustafa Ramid ein entsprechendes Rundschreiben an alle Staatsanwälte des Landes gerichtet. Nadia Mouhir, Rechtsanwältin in Rabat mit dem Spezialgebiet islamisches Adoptionsrecht, ist sich sicher, daß Ramid von strenggläubigen Marokkanern, die in Spanien leben, darauf hingewiesen wurde, daß die Kafala auf der Iberischen Halbinsel nicht eingehalten wird. Sie schreibt vor, daß es zu den Pflichten der neuen Eltern gehört, die Erinnerung an die Abstammung im Bewußtsein der Kinder wachzuhalten, sie im islamischen Glauben zu erziehen und die marokkanische Staatsangehörigkeit zu bewahren. Gegenüber der Madrider Tageszeitung ABC erklärte Mouhir, es gebe Berichte, wonach die Kontakte der adoptierten Kinder zu ihrem Geburtsland gekappt und sie christlich getauft wurden.

Dies hat zu einem regen bilateralen Meinungsaustausch geführt. Doch die Gespräche gestalten sich schwierig. Wie, so steht zur Diskussion, kann nachprüfbar gewährleistet werden, daß die kleinen Marokkaner ausreichend Religionsunterricht erhalten, und wie kann die Erinnerung daran Wurzeln schlagen, daß sie eigentlich aus einem ganz anderen Kulturkreis stammen?

Einen besonders radikalen Vorschlag hat ein Richter aus Agadir unterbreitet. Er forderte, daß künftige Adoptiveltern, sollten sie Christen sein, ein theologisches Examen im islamischen Glauben ablegen müßten, um nachzuweisen, daß sie genügend Kenntnisse besitzen, um die Kinder in dieser Religion zu unterweisen. Die spanische Seite regte an, ob man die Adoptiveltern nicht dazu verpflichten könne, einmal im Jahr nach Marokko zu reisen, um dort zu kontrollieren, ob die Kafala eingehalten wird. Außerdem wäre zu prüfen, ob nicht spanische Jugendrichter eine entsprechende Aufsichtspflicht ausüben könnten.

Für die betroffenen Mütter ist dieses politisch-religiöse Tauziehen nervenzerfetzend. „Ich habe große Angst, mich als Mutter zu fühlen, denn was passiert, wenn ich meinen Sohn dann doch nicht mit mir nehmen kann“, klagte Susana Ramos, die als Psychologin in Madrid lebt. 23mal ist sie schon nach Rabat gereist, aber die Kafala wird ihr immer noch verweigert. Und eine Frau aus Barcelona erklärte: „Wir leiden an einer endlosen Hoffnung, von der völlig ungewiß ist, ob sie sich jemals erfüllen wird.“

In ihrer Verzweiflung haben 40 Familien einen Brief an König Mohamed VI. geschrieben, in dem sie um seine Hilfe bitten, den neuen islamistischen Kurs im Adoptionsverfahren nicht rückwirkend anzuwenden, wie dies augenblicklich geschieht. Eine Kopie ging an König Juan Carlos. Er soll sich bei seinem nächsten Rabat-Besuch für ihr Anliegen einsetzen.

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