© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  13/13 / 22. März 2013

Pankraz,
J. Burnham und das Regime der Manager

Begeisterung löste allenthalben der Volksentscheid in der Schweiz für die Begrenzung der Managergehälter und die Höhe der ihnen zugesteckten Boni aus, übrigens auch bei den Managern selbst. Diese erkannten als erste voller Freude, daß sich an der bisherigen Praxis kaum etwas ändern dürfte. Denn der Entscheid sagt ja, die „wahren Eigentümer“, also die Aktionäre, sollen künftig über die Höhe der Manager-Einkünfte entscheiden; aber die Manager wissen genau, daß „die“ Aktionäre längst kein Entscheidungs- und Machtfaktor mehr sind, daß sie letztlich immer genau das tun, was die Manager wollen.

Schon der Chicagoer Trotzkist James Burnham (1905–1987), ein wirklich kluges Kerlchen, hat in seinem legendären Buch von 1941 „The Managerial Revolution“ (in Deutschland bekannt unter dem Titel „Das Regime der Manager“) die angebliche Macht der Aktionäre als pure Fiktion kenntlich gemacht. Aktionäre müßten sich, um wenigstens auf den Vollversammlungen der Unternehmen Einfluß ausüben zu können, zu großen Aktionärsvereinen zusammenzuschließen – und diese Vereine würden ja wiederum von Managern angeführt, von Kupon-Verwaltern, die eher ihre eigenen Interessen als die ihrer Klientel verfolgten.

Inzwischen hat sich die Lage vielerorts dramatisch zugespitzt. Der sogenannte Kleinaktionär, der in aller Biederkeit am maßvollen Gedeihen „seines“ Unternehmens interessiert ist, spielt in der modernen Finanzwirtschaft definitiv keine Rolle mehr, dient nur noch als Reserve bei Notfällen, wo man ihn dann gründlich über die Löffel balbiert. Denn kein managerieller Großaktionär fragt mehr nach dem Gedeihen und der kontinuierlichen Effizienz von Unternehmen, deren Kupons er in der Tasche hat. Spekulation ist das einzige Gebot.

Es geht nur noch darum, den Marktwert der Kupons durch aktuelle Finanzmanöver, beispielsweise Übernahmen, bloße Übernahmegerüchte oder sonstige stories, momentan künstlich in die Höhe zu treiben, um dann zum rechten Zeitpunkt, kurz bevor die Blase platzt, groß abzusahnen. Manchnmal geht das schief, aber der Manager, auch der Kuponmanager, behält allermeistens sein Geld, es sind die Kleinaktionäre, die das Desaster ausbaden müssen. „Fremdvermögen versenken“ nennt man das mittlerweile in der Branche.

Ein „erfolgreicher“ Manager ist heute in der Regel nicht mehr derjenige, der sein Unternehmen zu prächtiger realer Wertschöpfung führt, sondern derjenige, der den Aktienwert „seines“ Unternehmens durch dubiose Manipulationen in gewaltige, aber kurzfristige Kurshöhen schiebt und es dann verscherbelt, allzu oft an Käufer, die lediglich an der Ausschaltung lästiger Konkurrenz interessiert sind. Der Verkäufer streicht trotzdem üppigste Provisionen für sich selbst ein, der Kleinaktionär seinerseits kann sich vielleicht an einem momentanen Kursgewinn seiner Aktien freuen, doch die Freude ist von kurzer Dauer.

Schon vorher, bevor versenkt beziehungsweise übernommen wird, hat der Manager die eigene Firma immer öfter kräftig ausgenommen. Mächtige Gewinnsteigerungen für diese werden gemeldet – und bei Lichte betrachtet zeigt sich, daß aller Gewinn ausschließlich den Managern gutgeschrieben wird, zum Beispiel den Investmentbankern innerhalb einer Bank, für die sie zwar angeblich arbeiten, aber nur im Zeichen von raffiniert ausgeheckten Verträgen, die jeden Surplus exklusiv oder fast exklusiv auf die privaten Konten der Investmentbanker leiten.

Eine Krähe hackt der anderen kein Auge aus – dieser Spruch trifft voll auf das Regime der Manager zu, ob es sich bei denen nun um den jeweils verantwortlichen Vorstand handelt oder um Kuponverwalter oder um die Mitglieder des Aufsichtsrats, welche üblicherweise den beiden anderen Gruppen entstammen und mit ihnen unter einer Decke stecken. Das Unter-einer-Decke-Stecken reicht sogar über die einzelnen Unternehmen hinweg; schon James Burnham hat vermutet, daß die Loyalität der Manager untereinander größer und haltbarer ist als die Loyalität des einzelnen Managers zu seinem Unternehmen.

Aber ist das Regime der Manager deshalb tatsächlich schon eine politische Diktatur, wie Burnham im Originaltitel seines Buches nahelegt? Er selbst war felsenfest davon überzeugt, darin lag ja die inheimliche Pointe seines Buches. 1941, als es erstmals erschien, dominierten drei Herrschafstformen: der russische Kommunismus, der italienische/deutsche Faschismus und der aus der Wirtschaftskrise entstandene, weitgehend staatlich gelenkte amerikanische New-Deal-Kapitalismus. Burnham behauptete nun, alle drei Formen seien im Grunde ein und dasselbe, nämlich nichts anderes als verschiedene Ausbildungen einer unerbittlichen „Diktatur der Manager“.

Zu dieser Diktatur der Manager gehöre, daß sie sich nicht nur die Wirtschaft, sondern auch den Staat und wichtige kulturelle Institutionen (Bildungswesen, Zeitungen, Radio) untertan mache und daß am Ende alle regionalen und nationalen Unterschiede eingeebnet würden und es nur noch ein einziges, globales Herrschaftssystem gebe, in dem allein internationale, blindlings auf Gewinnmaximierung bedachte Manager das Sagen hätten.

Pankraz glaubt an sich nicht an derlei düstere Prognosen, auch nicht daran, daß sich die Manager bereits heute mit hypermodernen technisch-informationellen Medien ausgerüstet hätten, die sie instand setzten, jederlei Widerstandswillen von vornherein zu unterdrücken. Dennoch, bedrohliche Schatten gibt es genug. In der Wirtschaft, beim Staat und in den Medien tritt ein Menchentyp hervor, der nur allzu gut in das von Burnham skizzierte Horror-Schnittmuster hineinpaßt. Und der geistige Konformismus in den Medien und in den Bildungsanstalten ist erschreckend.

Der viel bejubelte Schweizer Volksentscheid war dagegen nur ein müdes Fäusteballen in der Hosentasche, rührend und letztlich kontraproduktiv. Keine Kleinaktionäre werden gebraucht, sondern sozusagen Großreaktionäre.

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