© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  13/13 / 22. März 2013

Parallelgesellschaft am Kiosk
Zeitungsmarkt: Türkische Verleger versuchen verstärkt in Deutschland Fuß zu fassen
Christian Schreiber

Es schien, als würde ein langgehegter Traum aller Multikulti-Befürworter endlich wahr. Ein türkischer Unternehmer sollte die marode Frankfurter Rundschau aufkaufen und auch einen Teil der Redakteure übernehmen. Das linksliberale Blatt kokettierte mit einem Retter aus dem Morgenland. Ein Märchen fast wie aus Tausendundeiner Nacht. Aber eben nur fast. Der zuständige Insolvenzverwalter schmetterte schließlich zwei Angebote des türkischen Verlegers Burak Akbay ab, der sich zuvor als Retter der Rundschau ins Spiel gebracht hatte. Sein Angebot sei zu gering gewesen, auch die Nachbesserung habe allenfalls symbolischen Charakter gehabt, hieß es. Nun blieb der FR letztlich nur die Übernahme durch die ungeliebte Frankfurter Allgemeine.

Zurück bleibt auch Verleger Akbay, der die Frankfurter Rundschau als überregionale Zeitung mit einem eigenen Druckhaus fortführen wollte. Er besitzt das türkische Verlags- und Druckereihaus Estetik Yayincilik, das die regierungskritische Zeitung Sözcü herausgibt. Sie hat in der Türkei eine verkaufte Auflage von 276.000 Exemplaren. Akbay selbst eilt kein sonderlich guter Ruf voraus. Türkische Medien werfen ihm vor, Dumpinglöhne zu zahlen und Sozialstandards zu mißachten.

Es ist nicht der erste Versuch von türkischen Unternehmen, auf dem deutschen Medienmarkt Fuß zu fassen. Im Januar endete ein solches Vorhaben bereits erfolgreich. Da erhielt das Unternehmen „Gold Media“ die Sendeerlaubnis für die Fortführung von TV Berlin, einem pleite gegangenen privaten TV-Sender. Das Berliner Unternehmen gehört je zur Hälfte zwei Türken und war bisher überwiegend als Werbevermarkter tätig. Die neuen Investoren machten sich in den vergangenen Wochen bereits eifrig daran, das Programm umzukrempeln. An dem Konzept eines Lokalsenders soll zwar festgehalten werden. Neben dem deutschen Basisprogramm plant Gold Media zudem die Integration von Themen für türkisch- und russischstämmige Einwanderer. Angesichts des hohen Ausländeranteils, in der Hauptstadt leben mehr als 200.000 Türken, ist dieses Projekt nicht aussichtslos.

Schon früh haben türkische Verleger festgestellt, daß angesichts der Auswanderungswelle nach Deutschland ein florierender potentieller Absatzmarkt entsteht. Mittlerweile leben rund 2,6 Millionen Türken in der Bundesrepublik. Die Geschichte türkischer Medien geht daher bereits auf die sechziger Jahre zurück. Zunächst entstanden in öffentlich-rechtlichen Sendern Formate, um die ausländischen Zuwanderer, die über keine Deutschkenntnisse verfügten, über das Geschehen in ihren Heimatländern zu informieren.

Andererseits war es das Ziel, die Bindung in die Heimat nicht abreißen zu lassen, ging man damals doch davon aus, daß die Gastarbeiter nur eine begrenzte Zeit in Deutschland bleiben würden. Dies hat sich im Laufe der Zeit verändert und auch das Konsumverhalten der Einwanderer. Im Zuge des technischen Fortschritts war es ihnen im Laufe der Zeit möglich, via Satellit Programme aus der Heimat zu empfangen. Parallel dazu entstanden auflagenstarke Zeitungen und Zeitschriften in türkischer Sprache, die teils über das Geschehen in der Türkei berichten, teils aber auch deutliche innenpolitische Bezüge aufweisen. Marktführer sind dabei die Dogan Media Group und die Ihlas Media & Trade Center GmbH.

Die Dogan Group hat ihren Sitz in Mörfelden-Waldorf bei Frankfurt. Flaggschiff des Konzerns im Deutschlandgeschäft ist die Tageszeitung Hürriyet. Sie erscheint in Deutschland seit dem Jahr 1971 und ist heute Marktführer mit einer Auflage von rund 30.000 Exemplaren. Insgesamt wird sie allerdings von vierzig Prozent aller in Deutschland lebenden Türken gelesen. Zumeist über das Internet.

In Deutschland gehört der Internetauftritt laut dem Serverdienst Alexa zu den dreihundert meistgelesenen Seiten, noch vor dem Internetauftritt des WDR und dem Berliner Tagesspiegel. Dennoch macht der Wandel des Zeitungsmarktes auch vor türkischen Medien nicht halt. So mußte die Europa-Redaktion der Hürriyet in Frankfurt Anfang März schließen. Bis 2011 erschien ebenfalls im Dogan-Verlag auch die Konkurrenzzeitung Milliyet, die mittlerweile allerdings eingestellt wurde. Hürriyet versteht sich als liberal-konservatives Boulevardblatt und will anecken. Die linke taz bezeichnete sie einmal als „Blatt der Völkerverstimmung“, andere Kommentatoren warfen ihr vor, bewußt antideutsche Ressentiments zu schüren.

Neben der bekanntesten Zeitung sowie diversen Sport- und Lebensart-Magazinen findet sich auch das Blatt Türkiye (Auflage nach eigenen Aussagen knapp 50.000 Exemplare) der Ihlas-Gruppe ebenfalls an vielen Kiosken. Das Ihlas-Konsortium steht in dem Ruf, stark islamisch-traditionell orientiert zu sein, so zählt Türkiye auch in der Türkei zu den eher rechten Blättern. Kooperationen und Übernahmen könnten schon bald an der Tagesordnung sein. Auch deutsche Verlage entdecken die türkische Zielgruppe. Die Axel-Springer-Gruppe hat sich bereits 20 Prozent der Anteile an der Dogan-Group gesichert.

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