© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  13/13 / 22. März 2013

Der Schöpfer des Blutbrunnens
Bernd Rill porträtiert den Gründer der heutigen Islamischen Republik Iran, Ayatollah Ruhollah Chomeini
Wolfgang Kaufmann

Auf dem Teheraner Friedhof Behescht-e Zahra sprudelt ein „Blut-Brunnen“ rotes Wasser. Mit diesem Musterbeispiel schiitischen Todeskitsches soll an die Märtyrer der islamischen Revolution beziehungsweise des iranisch-irakischen Krieges 1980–1988 erinnert werden. Die meisten der Toten gehen dabei auf das Konto eines Mannes, der es vor allem zum Ende seines Lebens hin verstand, Menschen für politisch-religiöse Ziele zu mobilisieren und gegebenenfalls auch ins „Paradies“ zu schicken: Ayatollah Ruhollah Musawi al-Chomeini (verbreitet auch „Khomeini“).

Wie Bernd Rills lesenswerter neuer Biographie zu entnehmen ist, startete der Koranschüler Chomeini den ersten diesbezüglichen Versuch schon mit 22 Jahren, doch 1924 verhallte die radikale Agitation gegen das „satanische“ Regime des Schahs noch weitgehend ergebnislos. Erst neununddreißig Jahre und zahllose Aufrufe später hatte der inzwischen nur noch im schwarzen Gewand und dem schwarzen Turban eines zu allem entschlossenen Schiiten Auftretende Erfolg: bei den gewalttätigen Demonstrationen gegen Mohammad Reza am Aschura-Tag des Jahres 1963, dem alljährlichen Trauertag anläßlich des Todes von Imam Hussein, trugen die Massen sein Bild und ließen sich für ihn zu Tausenden in religiöser Raserei niederschlachten.

Im Dezember 1977 trieb Chomeini die Konfrontation dann noch weiter und erklärte den Schah in einer Fatwa für abgesetzt. Ebenso erklärt er sich zum Imam, also zum rechtmäßigen Nachfolger des Propheten und neuen schiitischen Messias. Allerdings befand er sich da im irakischen Exil. Dennoch löste er mit seiner Aktion eine neue Lawine des Aufruhrs und des öffentlichen Wütens schiitischer Frömmler aus, woraufhin der Schah am „Schwarzen Freitag“, dem 8. September 1978, wiederum in die entfesselten Massen schießen ließ. Damit allerdings hatte Schah Mohammad Reza Pahlavi das Ende seiner Herrschaft besiegelt und mußte im Januar 1979 den Weg ins Exil antreten.

Im Anschluß begann die Furie der Islamischen Revolution zu rasen, und der im Triumph aus Frankreich ins Land zurückgekehrte „Imam“ kommentierte die Massenerschießungen von Schah-Getreuen, aber auch nichtschiitischen Konkurrenten um die Macht mit der zynischen Bemerkung: „Blut muß vergossen werden. Je mehr Iran blutet, desto siegreicher wird die Revolution sein.“

Der Sturz der Monarchie und die Errichtung einer Diktatur der Mullahs bescherte Chomeini nicht nur die Position des Obersten Rechtsgelehrten und damit des Staatsoberhauptes, sondern ebenso den Oberbefehl über die gesamte iranische Armee. Deshalb ist er auch für die Kriegführung des Iran nach dem Einfall der Truppen Saddam Husseins im September 1980 verantwortlich. Und diese war unter anderem dadurch gekennzeichnet, daß Kindersoldaten wie Kamikaze in die irakischen Minenfelder getrieben wurden, um den regulären Truppen der Mullahs den Weg zu bahnen. Dabei sollen 36.000 Mädchen und Jungen gefallen sein.

Ebenso skrupellos war die Taktik der „Menschlichen Wellen“, die ab November 1981 zum Einsatz kam: hier wurden kaum oder gar nicht ausgebildete Zivilisten in großen Massen an der Front gegen den Feind geschickt, was Chomeinis ehemaligen Premierminister Basargan zu der bitteren Frage an den Ayatollah veranlaßte: „Wann wirst du aufhören, mit dem Blut unserer Märtyrer zu schachern?“ Insgesamt starben durch diese unsinnigen Aktionen einige hunderttausend Iraner, während Chomeini den Krieg als „Gottes verborgenes Geschenk“ betrachtete – barg er doch angeblich die Möglichkeit, das Feuer der schiitisch-islamischen Revolution am Lodern zu halten.

Angesichts dessen fallen die Massaker an den nach dem Sieg der Revolution marginalisierten und daher 1981 putschenden linksorientierten Volks-Mudschahedin des Iran vergleichsweise wenig ins Gewicht: Im Zuge der blutigen Rache Chomeinis wurden laut Amnesty International an die 3.000 Menschen exekutiert. Dafür revanchierten sich die Modschahedin-e Chalgh nach dem Waffenstillstand mit Saddam Hussein im August 1988 mit einem spontanen Aufstand in der Provinz Bachtaran. Dieser schlug allerdings fehl, woraufhin der Ayatollah nun seinerseits die Massenexekution sämtlicher noch in Haft befindlicher Volks-Mudschahedin anordnete. Seriösen Schätzungen zufolge starben nachfolgend mindestens 2.700 Insassen des Teheraner Evin- beziehungsweise Gohar-Dascht-Gefängnisses am Galgen.

Und selbst beim öffentlichen Totengebet für den verstorbenen „Imam“ am 6. Juni 1989 mußten wieder zahllose Menschen ihr Leben lassen, weil die Zeremonie völlig chaotisch verlief. Schuld daran waren diesmal freilich die ekstatischen Aufwallungen der reliquiensüchtigen Menge.

Bernd Rill:  Chomeini und die islamische Republik Iran. Verlag Dr. Köster, Berlin 2012, broschiert, 256 Seiten, 19,80 Euro

Foto: Chomeini gibt Interviews im Exil bei Paris 1979: „Blut muß vergossen werden. Je mehr Iran blutet, desto siegreicher wird die Revolution sein“

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