© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  14/13 / 29. März 2013

Reibach gegen Rechts
Extremismus: Mit einem Gutachten wollen linke Organisationen ihre Forderung nach einer dauerhaften Finanzierung untermauern
Christoph Schreiber

Mitte April ist es soweit. Dann beginnt in München der Prozeß gegen Beate Zschäpe, einzige Überlebende des als Zwickauer Terrorzelle bekannt gewordenen „Nationalsozialistischen Untergrunds“ (NSU). Obwohl Hintergründe und Abläufe der Taten weiter ungeklärt sind, wird der NSU in diesen Tagen stets als Beleg für eine latent vorhandene rechte Gefahr in Deutschland herangezogen. Und nicht selten stehen dabei finanzielle Interessen im Mittelpunkt.

Vor rund zwei Wochen schlug das Magazin Stern Alarm. Demnach stünde das Neonazi-Aussteigerprogramm „Exit“ vor dem Aus. Ende April wären die öffentlichen Zuwendungen ausgelaufen, und der Stern stellte eilig Zusammenhänge her: „Eine solche Initiative sollte jede erdenkliche Unterstützung der Politik bekommen. Doch während Mitte April der Prozeß gegen den Nationalsozialistischen Untergrund eröffnet wird, gehen bei der erfolgreichsten Organisation gegen rechte Untaten langsam die Lichter aus.“

Die öffentliche Intervention hatte alsbald Erfolg. Am Freitag vergangener Woche teilte die Bundesregierung eilig mit, daß „Exit-Deutschland“ auf dauerhafte Unterstützung des Bundes zählen könne. Das Bundesfamilienministerium übernimmt die weitere Förderung. Damit konnte die Regierung die Kritik, sie verharmlose rechtsextreme Gewalt, vorerst noch einmal abwehren. Interessierte Kreise bemühen sich derweil, das Thema am Köcheln zu halten. Mit geradezu bemerkenswerter Offenheit weisen sie darauf hin, daß der Staat im Kampf gegen Rechtsextremisten auch ausgewiesene Linksextremisten finanziell unterstützen sollte. Bisher verlangt das Familienministerium als Voraussetzung zur Förderung „antirechter Projekte“ ein schriftliches Bekenntnis zum Grundgesetz der Bundesrepublik. Mittels jener „Extremismusklausel“ soll verhindert werden, daß Geld Verfassungsfeinden zugute kommt. Was durchaus vernünftig scheint, stößt innerhalb linker Kreise auf heftige Proteste. „Die Konsequenzen der Extremismusdoktrin sind fatal“, heißt es in einer Erklärung der Grünen-Bundestagsabgeordneten Monika Lazar und Sven-Christian Kindler. Nicht selten würden Initiativen und Bündnisse, die sich vor Ort gegen Rassismus, Antisemitismus oder andere Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit organisieren, als „linksextrem“ eingeordnet und damit automatisch als Verfassungsfeinde gebrandmarkt. Weiterhin werden Programme gegen Linksextremismus ganz offen als „sinnlos“ bezeichnet.

Die zahlrechen Initiativen „gegen Rechts“ sollen dagegen dauerhaft mit beträchtlichen Finanzmitteln ausgestattet werden. „Seit Beginn der Bundesprogramme kämpfen die Projekte gegen Rechtsextremismus ständig um eine dauerhafte Finanzierung. Das muß endlich ein Ende haben“, fordert Bianca Klose vom Berliner „Verein für Demokratische Kultur“ in der Zeit. Gemeinsam mit einer Vielzahl von anderen Initiativen wie der Amadeu-Antonio-Stiftung, Gewerkschaften und Verbänden wie dem Zentralrat der Juden hat ihr Projekt eine Studie in Auftrag gegeben, die die Notwendigkeit einer dauerhaften Förderung von Projekten gegen Rechtsextremismus belegen soll. Verantwortlich für die Studie sind die Staatsrechtler Ulrich Battis, Klaus Joachim Grigoleit sowie die ehemalige Juso-Bundesvorsitzenden Franziska Drohsel, die innerhalb der linksextremen Organisation „Rote Hilfe“ politisch sozialisiert wurde.

Wenig überraschend kommen die drei bestellten Gutachter nun zu folgendem Ergebnis: „Eine langfristige, dauerhafte Finanzierung der Arbeit gegen Neonazismus und für Demokratieförderung ist verfassungsrechtlich möglich.“ Wenig wissenschaftlich liest sich auch die Begründung: „Die Förderung demokratischer Kultur und die Bekämpfung des Neonazismus unterliegen staatlicher, insbesondere aber gesamtgesellschaftlicher Verantwortung. Zur Wahrung dieser Verantwortung bedürfen entsprechende gesellschaftliche Projekte eines gewissen Maßes an Finanzierungssicherheit.“ Das Gutachten war kaum auf dem Markt, da meldeten sich die Auftraggeber schon zu Wort und verlangten weitere finanzielle Zuwendungen. Der ehemalige Regierungssprecher Uwe-Karsten Heye forderte beispielsweise für den Verein „Gesicht zeigen“: „Für eine konstruktive und innovative Fortsetzung unserer weitreichenden Impulse benötigen wir dringend eine verläßliche, dauerhafte Finanzsicherung.“

Innerhalb der Oppositionsparteien stoßen diese Forderungen auf offene Ohren. Gemeinsam mit dem SPD-Abgeordneten Rolf Schwanitz und dem Grünen-Parlamentarier Sven-Christian Kindler forderte Steffen Bockhahn, Bundestagsabgeordneter der Linkspartei, die Bundesregierung auf, umgehend für ein finanzielles Übergangsmanagement für die auslaufenden Programme zu sorgen. Die Chancen, daß der politische Lobbyismus für diese Projekte erfolgreich sein wird, stehen gut. Schließlich beginnt bald der Prozeß gegen Beate Zschäpe. Und Wahlkampf ist ja auch noch.

Foto: Exit-Gründer Bernd Wagner: Die Aussteigerinitiative kann auf dauerhafte Unterstützung zählen

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