© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  14/13 / 29. März 2013

Erfüllungsorgan der Politik
Jubiläum: Das Zweite Deutsche Fernsehen wird 50 Jahre alt / Es steht heute wie damals für Regierungsnähe
Ronald Berthold

Claus Kleber perplex. „Wieso bejubeln die Zyprioten das Scheitern ihres Rettungspaketes?“ Die Ratlosigkeit war dem ZDF-Moderator in der vergangenen Woche ins Gesicht geschrieben. Für ihn es unvorstellbar, daß andere Nationen lieber den eigenen Staatsbankrott wählen als das Diktat von und die Enteignung durch fremde Mächte. Zu weit ist das ZDF weg vom normalen Leben, zu verwoben mit der Macht, die sein Gebührenaufkommen sichert.

Wer könnte es besser wissen als ein Chefredakteur, der zehn Jahre beim ZDF die Verantwortung trug? Was Nikolaus Brender kurz vor der Übergabe des Stabes an seinen Nachfolger Peter Frey vor drei Jahren über das Innenleben des Staatsrundfunks im Spiegel ausplauderte, sagt viel über das ZDF; beinahe noch mehr als die alltägliche staatsnahe Berichterstattung des Senders. Insofern ist der 50. Geburtstag, den „das Zweite“ am 1. April begeht, ein trauriges Jubiläum.

Die Grundidee, die öffentlich-rechtliche Anstalt von pluralistischen Gruppen gestalten zu lassen, sei „pervertiert“ worden, meint Brender: „Heute beherrschen die Parteien die anderen Gruppen, die in diesen Gremien sitzen.“ Er räumt ein, daß selbst die noch „sauberen Journalisten, denen die ungefragte Zuordnung zu Parteien“ zuwider sei, durch „das System beeinflußt“ werden. Noch nie ist das ZDF mit seinem Zwei-Milliarden-Euro-Etat derart als Erfüllungsorgan der Politik geoutet worden wie durch den langjährigen Chefredakteur: Das „Proporzdenken“ der Politiker führe zu „einer verbogenen Wirklichkeitswahrnehmung und zu einer verzerrten Berichterstattung“. Jeder Zuschauer, der einigermaßen kritisch die Nachrichtensendungen verfolgt, kann diese „verzerrte Berichterstattung“ bestätigen. So überrascht nicht, daß zu allen gesellschaftlich relevanten Themen Beiträge laufen, die die Politik der Alternativlosigkeit verteidigen und auf Abweichler verbal einprügeln.

Erstes Sprachrohr der Bundestagsparteien ist der bestbezahlte Nachrichtenmann des deutschen Fernsehens: Claus Kleber, Moderator des Heute-Journals, erhält nach Recherchen von Medienjournalisten zwischen 480.000 und 600.000 Euro im Jahr – rund das Doppelte dessen, was der ZDF-Intendant, derzeit Thomas Bellut, verdient. Dafür verkauft er Abend für Abend jede noch so absurde These des politischen Establishments als absolute Wahrheit.

Euro-Rettungspolitik, Kampf gegen Rechts oder Klimawandel: Für alles hat der smarte 57jährige eine missionarische Erklärung parat. Im vergangenen Oktober brachte er es fertig, den Kälte- und Wintereinbruch als Folge der globalen Erwärmung zu instrumentalisieren. Die Aberkennung des Doktortitels für Bildungsministerin Annette Schavan und ihren erzwungenen Rücktritt kritisierte er mit den Worten, hätte die Politikerin zur selben Zeit ihren Professor getötet, wäre dies längst verjährt. In diesem Zusammenhang sprach er von einem „Mordvergleich“ – offenbar nicht wissend, daß Mord niemals verjährt. Und auch verschweigend, daß selbst ein heute verjährter, aufgedeckter Totschlag durch Schavan auch zu ihrem Rücktritt geführt hätte.

Bereits als das ZDF am 1. April 1963 gegründet wurde, ging es darum, die Zuschauer im Sinne der Politik zu beeinflussen. Führungspositionen erhielten Menschen nach Parteipräferenz, nicht nach Qualifizierung. Mal wurde ein Regierungssprecher Intendant – mal ein führender ZDF-Mann Regierungssprecher, zuletzt und aktuell Steffen Seibert. Gewahrt werden muß allerdings das politische Gleichgewicht in der gesamten Führungsebene: Ist der Intendant CDU-nah, wie Bellut, so muß der Chefredakteur auf SPD-Ticket fahren, wie Frey. Die Leitung des Hauptstadtstudios übernimmt dann mit Bettina Schausten wieder eine Frau mit CDU-Nähe. Schaustens Verhalten nach der Sachsen-Wahl 2004, als sie dem NPD-Politiker Holger Apfel barsch das Wort abschnitt und anherrschte, ist heute Anschauungsmaterial in Journalistenschulen – wohlgemerkt, wie man es nicht machen sollte. Unfaire Attacken, so lernen die Nachwuchsredakteure, schaffen beim Zuschauer stets Sympathie für den Angegriffenen. Und das sollte, so gut es Schausten auch gemeint habe, tunlichst vermieden werden.

Die Aufsicht über das ZDF überläßt die Politik seit Beginn allerdings keinen getarnten Journalisten. Dem Verwaltungsrat gehören fünf Berufspolitiker an. Chef ist der kürzlich zurückgetretene Kurt Beck (SPD) aus Rheinland-Pfalz, sein Stellvertreter Sachsens Regierungschef Stanislaw Tillich (CDU). Der Unterschied zu 1963 liegt heute darin, daß die Parteien ähnlicher geworden sind. In wichtigen Fragen herrscht Konsens. Eine Sendung wie Gerhard Löwenthals „ZDF-Magazin“ konnte nur existieren, weil es unter dem Schutz der Union stand. Heute undenkbar.

Statt dessen drohe, so Ex-Chef Brender, „parteipolitische Methodik den öffentlich-rechtlichen Rundfunk zu okkupieren“. Es habe sich ein „Spitzelsystem“ etabliert, das Meinungsäußerungen von Reportern und Senderinterna an die Parteien weitermelde. Brender hält diese Partei-Agenten unter den Kollegen für „wirklich vergleichbar mit den IM der DDR“. Wenn ein Chefredakteur solche Parallelen zieht, verwundert es nicht, daß Zuschauer in Internetforen die Nachrichtensendungen des Staatsrundfunks mit der „Aktuellen Kamera“ des SED-Fernsehens vergleichen.

Foto: Heute-Journal: ZDF-Topmoderator Claus Kleber mit Kollegin und Nachrichtensprecherin Gundula Gause

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen