© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  15/13 / 05. April 2013

Alkohol für Trinker
Zypernkrise: Bei der Euro-Rettung werden Recht und Ökonomie mit Füßen getreten
Wilhelm Hankel

Was schockiert am Fall Zypern mehr: die Sorglosigkeit, mit der Europas Spitzenpolitiker ein kleines, für Europas künftige Gas-Versorgung jedoch geostrategisches Schlüsselland in beispielloses Elend und Chaos stürzen – oder die Skrupellosigkeit, mit der sie die in allen europäischen Staatsverfassungen garantierten Grundrechte des Geldeigentums mit Füßen treten, von „pacta sunt servanda“ bis zu Sparerschutz und Einlagensicherheit?

Mit ihrem Pfusch übertreffen die Pannenhelfer den Originalschaden um Zehnerpotenzen. Was wäre passiert, hätte man Zypern den Kredit, einen Klacks, gemessen an den Hunderten Milliarden Euro, die die Euro-Rettung bislang gekostet hat, ohne sinnlose Folterung gewährt?

Oder noch einfacher: Wenn man das Land aus dem Euro-Gefängnis wieder herausgelassen hätte? Gleich Island hätte Zypern die Chance bekommen, sich am eigenen Schopf aus seinem Schuldensumpf herauszuziehen. Im einen wie dem anderen Falle wären Euro und Euro-Zone nichts passiert. Hinter der Rettungs-Hysterie steckt das Motiv, daß es den Euro-Rettern (entgegen dem Versprechen, mit dem man die Deutschen in die Euro-Falle gelockt hat) ja gar nicht um die Stabilität der Währung geht. Es geht ihnen um Zusammenhalt und Ausweitung der Euro-Zone. Ihre Endstation Sehnsucht ist der europäische Superstaat, gleichgültig, ob er mit Demokratie, Marktwirtschaft, einer offenen Weltwirtschaft oder den Gesetzen der Mitgliedsländer vereinbar ist.

Die Misere wird klar, wenn man versteht, wie das Euro-System funktioniert: wie eine Kneipe, in der der Wirt ohne Unterlaß Freibier ausschenkt und sich dann wundert, daß sich seine Gäste betrinken – so lange, bis er darüber selber pleite geht! Gäste der Euro-Kneipe sind Zypern, Griechenland & Co, ihr Wirt ist das Euro-System.

Doch was wäre die Kneipe ohne ihre Kellner, die das Euro-Bier zum Euro-Trinker befördern: die Banken? Zwar erweist sich der Realsektor, die investierende, reale Werte und neue Arbeitsplätze schaffende Wirtschaft, in der gegenwärtigen Krise des Euro als äußerst diszipliniert und zurückhaltend. Um so mehr langt offen oder versteckt hinter der Theke die Riege der Kellner zu.

Die Euro-Zone ist 2012 mit einem Bilanzvolumen der Banken von 34 Billionen Euro, dem Dreieinhalbfachen der realen Wirtschaftsleistung der in ihr vereinigten Volkswirtschaften, „overbanked“ – weit mehr als jede andere Region der Welt, die USA eingeschlossen. Spitzenreiter dieser Fehlentwicklung ist der „Groß-Staat“ Luxemburg. Der dortige Finanzsektor bringt es mit dem 21,7fachen der Bilanzsumme seiner „kellnernden“ Banken über der Jahreswirtschaftsleistung des Landes auf einen unschlagbaren Weltrekord.

Luxemburg lebt gut und üppig von seiner finanziellen „Wertschöpfung“, die in der Zypern-Krise unter anderem darin bestand, das Geld der Oligarchen aus Rußland und anderen Ländern über die dortigen Filialen der jetzt zu „reformierenden“ Zypern-Banken sicher (vor ihrer Konfiskation) außer Landes zu bringen. Doch wehe, wenn Luxemburgs Banken das Schicksal der zypriotischen oder demnächst maltesischen droht! Versteht man jetzt den Dauereinsatz luxemburgischer Spitzenpolitiker bis hin zu Ex-Euro-Gruppenchef Jean-Claude Juncker für die Belange Europas? Und ihre Bemühungen um Rettung der Banken, pardon, des Euro?

Lange vor der „Alternative für Deutschland“ (AfD) hatten die Euro-Kritiker der ersten Stunde vor den in die Währungsunion eingebauten Sprengsätzen gewarnt. Lief sie doch auf den Kuhhandel von Ländern mit starker Exportlobby (wie Deutschland) letzterer war ein weicher Euro stets lieber als eine harte D-Mark diskret arbeitender Bank- und Finanzlobby und jenen Ländern an der Peripherie Europas hinaus, die nur auf eines scharf waren: möglichst billig an Geld und Kredit heranzukommen.

Seit Einführung des Euro kapitulieren Deutschlands Regierungen vor dieser unheiligen Allianz von Export- und Finanz-interessen. Dem Süden der Euro-Zone ist das recht. Denn dort verstand man Demokratie im Euro-System ohnehin so, daß man den Wählern einen Lebensstandard versprach, den andere für sie bezahlten. Man ersetzte unpopuläre Steuern durch Euro-Schulden.

Nur: So wird der Euro nicht gerettet. Eine EZB, die frisches Geld druckt, nur um die Schulden haltloser Euro-„Trinker“ zu übernehmen, eine Transferunion, die darauf angelegt ist, diese Schulden den Nüchternen aufzuhalsen, läßt Sparern und Anlegern keine andere Wahl, als sich einen anderen Speicher zu suchen, in dem ihr Geld nicht verrottet.

Unter den älteren Deutschen sind längst die schlimmsten Alpträume wieder wach. Artikel 66 des EU-Arbeitsvertrages (eingeführt auf Wunsch Frankreichs und von Deutschland akzeptiert) legitimiert alle Euro-Staaten zum Bau einer solchen „monetären Mauer“, hinter der einst DDR oder UdSSR ihre Sparer und Bürger einsperrten. Noch stehen Deutschlands Sparern die guten und sicheren Geldanlagen der ganzen Welt offen. Seit Zypern müssen sie sich allerdings fragen, wie lange noch?

 

Prof. Dr. Wilhelm Hankel ist „Euro-Kläger“ der ersten Stunde. Er leitete unter Minister Karl Schiller (SPD) die Bankenenquete, aus der die Einlagensicherung hervorgegangen ist.

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