© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  15/13 / 05. April 2013

Kluge Köpfe als Ketzer
Wie man Euro-Kritiker verächtlich macht: Die Tricks von Politik und Medien – eine Psychologie der Massentäuschung
Udo Ulfkotte

Die Welt ist ein Irrenhaus – und der Deutsche Bundestag ist eine der wichtigsten Zentralen dieses Irrenhauses. Bei deutschen Politikern ist Politik die Kunst, die Bevölkerung so schnell über den Tisch zu ziehen, daß die Bürger glauben, die dabei entstehende Reibungshitze sei Nestwärme. Dummerweise entstehen neben der Reibungshitze auch Reibungsverluste – und die uns von Politik und Medien mittels Lügen aufgebürdeten Reibungsverluste sind gewaltig. Langsam, ganz langsam werden wir nun an jene Verluste herangeführt, die mit der Aufgabe von harter D-Mark und hartem Schilling verbunden waren.

Eine Illusion bezeichnet eine Sinnestäuschung; eine andere Wahrnehmung als das, was in der Realität tatsächlich vorhanden ist. Der Euro ist eine permanente Sinnestäuschung. Er wird zumindest von Politik und weiten Teilen der Medien noch immer für etwas anderes gehalten als das, was er tatsächlich ist: die Illusion von Stabilität, Wohlstand und finanzieller Sicherheit.

Allen Ernstes schrieb die CDU in ihrem 2009er-Wahlprogramm, das den Titel „Für ein Europa mit soliden Finanzen“ trägt: „Es ist insbesondere ein Verdienst von Helmut Kohl und Theo Waigel, daß der Euro als stabile und sichere Währung zu einem wichtigen Baustein des europäischen Hauses geworden ist.“ Um uns herum brechen die Banken zusammen. Sie müssen mit unseren Steuergeldern gerettet werden – und die CDU spricht von einer „stabilen Währung“. Das ist die Perfektion einer Illusion.

Noch absurder klingt die Aussage im Regierungsprogramm 2013: „Der Einsatz für eine stabile Währung und für solide Staatsfinanzen sind Markenzeichen unserer nachhaltigen Politik.“ Wie wahnsinnig, verblendet oder betrunken von der eigenen Bedeutung muß man sein, um solche Unwahrheiten zu verbreiten?

Jene, die uns einst Wohlstand und Stabilität durch den Euro versprochcn haben, bereiten uns derweilen allmählich auf mögliche Kriegszeiten vor. So ermahnte Jean-Claude Juncker, Premierminister von Luxemburg und langjähriger Vorsitzender der Euro-Gruppe, zum Neujahrsempfang 2013 alle Journalisten, sie sollten sich schon einmal mit dem Jahr 1913 beschäftigen, dem letzten echten Friedensjahr vor dem Ausbruch des ersten großen Krieges im vergangenen Jahrhundert.

Das Jahr 2013, so Juncker, könnte für die Europäer wieder einmal ein Vorkriegsjahr werden. Angesichts einer solchen Aussage stellt sich die Frage, ob wir im Euro-Land jetzt wirklich schon wieder in einer Zeit leben, in der alle Menschen an Frieden glauben, bevor dann der Krieg kommt. Klar ist nur, daß wir beständig getäuscht werden. Hatten uns Politiker nicht versprochen, der Euro werde Frieden und Stabilitat bringen? Wie Gaukler im Zirkus haben uns Politik und Medien mit billigsten Taschenspielertricks hinsichtlich des Euro getäuscht. Wer die Tricks durchschaute und erklärte, der galt als Miesmacher und Störenfried. (…)

Rund ein Jahrzehnt lang haben uns Politik und Medien mit den Tricks der Massenpsychologie über die Wahrheit hinweggetäuscht. Der Betrug hat gut funktioniert – bis jetzt. Schauen wir einmal zurück: Eine gewaltige Propagandamaschinerie hatte in den 1990er-Jahren behauptet, der Euro werde „stabil wie die D-Mark“ sein und Euro-Kritiker seien „Ewiggestrige“, die sich der positiven und strahlenden Zukunft dreist in den Weg stellten. Man suggerierte uns Wählern in den Medien, Euro-Kritiker seien eine Art populistische Extremisten, die mit leicht zu widerlegenden Argumenten den Aufbruch zu noch mehr Wohlstand und Frieden in Europa zu verhindern suchten.

Kurzum: Man stempelte Euro-Kritiker ab. Man stigmatisierte sie. Wir erleben dieses geschickte Vorgehen in bezug auf Menschen, die eine andere Meinung vertreten, immer wieder in der Geschichte, aber auch in der Gegenwart. Das psychologische Spiel von Medien und Politik wurde inzwischen allerdings perfektioniert, und es gibt diese programmierte massenpsychologische Steuerung unserer Denkweise nunmehr überall. (…)

Doch die meisten Bürger schweigen dazu. Wir empfinden diesen Betrug, den kriminelle Politiker und Journalisten wie selbstverständlich an uns Bürgern verüben, inzwischen als völlig normal. Wir verhalten uns wie Irre in einem Irrenhaus. So weit haben uns Politik und Medien inzwischen gebracht.

Genauso war es damals in der Zeitphase vor der Euro-Einführung. Eine Mehrheit der Menschen im deutschsprachigen Raum wußte instinktiv, daß sie belogen und betrogen wurde. Doch dann lief tiefenpsychologisch bei den meisten Bürgern folgender, von Medien und Politik gesteuerter Mechanismus ab:

Kamen seinerzeit Informationen von außen, die mit dem propagierten Ziel der Aufgabe unserer stabilen D-Mark nicht übereinstimmten (etwa Informationen von Euro-Kritikern), dann entstand bei uns staatstreuen Bürgern psychologisch gesehen ein innerer Konflikt zwischen dem vorherrschenden und von der Gruppe geprägten politisch korrekten Bild und der externen Information. Dieser Konflikt wird von Psychologen kognitive Dissonanz genannt. Der Bürger erkennt tiefenpsychologisch, daß er eine neue Meinung serviert bekommt, die mit dem von der herrschenden politischen Gruppe geprägten Bild nicht vereinbar ist.

Da gab es also Euro-Kritiker, die uns eine gegenteilige Sicht der Dinge präsentierten. Wir ahnten, daß es im Gegensatz zur Propaganda von Politik und Medien die Wahrheit war. Doch wie verhielten wir uns? Wir benahmen uns, um ein Beispiel zu geben, wie ein grundsatzlich vernünftig handelnder Raucher, der wieder einmal hört, daß er durch das Rauchen die eigene Gesundheit stark gefährdet. Der Raucher hört das nicht gern. Er verdrängt es lieber. Er raucht trotz dieser Information weiter – bis er Lungenkrebs, einen Herzinfarkt oder eine andere schwere Krankheit bekommt.

Nicht anders war es vor der Euro-Einführung. Obwohl es viele Fachleute gab, die vor der Aufgabe von D-Mark und Schilling gewarnt und auf die klar erkennbaren Risiken hingewiesen hatten, wollten wir Staatsbürger das lieber nicht hören. Schließlich erklärten Politik und Medien einen anderen Weg für „normal“.

Psychologisch betrachtet reagieren wir auf unangenehme und von der herrschenden politischen Korrektheit abweichende Informationen defensiv. Wir versuchen, solche Informationen so weit umzuinterpretieren oder in Frage zu stellen, daß sie nicht mehr bedrohlich für die Stabilität des Bildes unserer politischen Umgebung sind. Durch diese Abwehrreaktion soll vor allem die Auseinandersetzung mit dem Inhalt der Information vermieden werden.

So wie ein Raucher aufgrund jahrelanger Beeinflussung durch Werbung fest davon überzeugt ist, daß er selbst keine gesundheitlichen Schäden davontragen wird, so haben wir Bürger die Werbung jener Politiker und Medien geschluckt, die behauptet haben, der Abschied von der stabilen D-Mark werde an der Sicherheit unserer Sparguthaben rein gar nichts ändern. Die Euro-Kritiker haben wir damals innerlich so betrachtet wie ein Raucher die Warnhinweise auf Zigarettenschachteln. Wir haben sie bestenfalls ignoriert – oder abgelehnt. Das geschah, obwohl uns eine innere Stimme zuflüsterte, daß sie die Wahrheit sagten. (…)

Milch und Honig, die in Mengen fließen, hat man uns mit dem Euro versprochen. Doch Blut und Tränen werden wir bekommen. Angeblich war der Euro das große Friedensprojekt in der europäischen Geschichte. In Wahrheit liegt er als Deckel auf dem Vulkan, in dessen Tiefe es bereits gefährlich brodelt und der demnächst mit ungewissen Folgen explodieren wird.

Der frühere Ministerpräsident von Luxemburg, Jean-Claude Juncker, war einer der skrupellosesten Wegbereiter des Euro. Seine Anhänger nennen ihn „Europhoriker“. Der Mann, der bis Januar 2013 Chef der Euro-Gruppe war, ist bei näherer Betrachtung ein Versager – und zwar einer von vielen „da oben“. Jean-Claude Juncker hat lange vor der Einführung des Euro auf die Sorgen des damaligen bayerischen Ministerpräsidenten, Edmund Stoiber, bei einer Währungsunion bestehe die Gefahr dauernder Transferleistungen, geantwortet: „Transferleistungen sind so absurd wie eine Hungersnot in Bayern.“

Heute haben wir zwar keine Hungersnot in Bayern, aber Deutsche und Österreicher müssen sich daran gewöhnen, wie selbstverständlich ständig das Portemonnaie für bankrotte EU-Staa-ten zu öffnen, die auf Transferleistungen angewiesen sind. Somit werden Erinnerungen wach an jene, die vor Menschen wie Jean-Claude Juncker und den vielen anderen Euro-Schergen gewarnt haben.

Jeder dritte Deutsche hat noch D-Mark-Münzen oder -Scheine, beinahe jeder Österreicher besitzt noch Schillinge. Rund zwei Drittel der Deutschen sehnen sich nach der D-Mark zurück. Eine D-Mark-Partei hätte immerhin ein Wählerpotential von mindestens 18 Prozent – in Ostdeutschland sogar von 25 Prozent.

Angeblich sollte der Euro Wohlstand schaffen. In Wahrheit hat er den Menschen im deutschsprachigen Raum nur Schaden gebracht. Das sehen inzwischen auch die bekanntesten deutschen Manager so. Der Unternehmer Bernd Scheifele, Chef von Heidelberg-Cement, erklärte im Januar 2013: „Der Euro schafft keinen Wohlstand: Die Kosten der Währungsunion sind einfach zu hoch, das müssen die Politiker endlich einsehen.“

Der Börsen-Guru André Kostolany war einer der wenigen, die das früher auch schlichteren Gemütern zu erklären versuchten. Kostolany verglich die Euro-Währung im Jahr 1998 mit einem „ungeborenen Kind“ und sagte, niemand wisse, ob es ein Genie oder ein Dummkopf werde. Mittels dieser Formulierung wies er auf das große Wagnis hin, die stabile D-Mark aufzugeben. Der gebürtige Ungar war der festen Überzeugung, mit dem Euro werde es in Europa „schreckliche Turbulenzen“ geben. (…)

Können Sie sich an den 6. Januar 2013 erinnern? An jenem regnerischen Tag erklärte man in Brüssel die Euro-Krise offiziell für beendet. EU-Kommissionspräsident José Manuel Barro-so untersagte fortan Diskussionen über Finanzkrise und Euro-Schwäche. Die Sparguthaben gelten seither angeblich als sicher – die weise Führung der Europäischen Union hat uns dieses politisch korrekte Denken zumindest verordnet. Doch wer intelligent ist, der läßt sich sein Denken nicht vorgeben. Wer intelligent ist, der sorgt jetzt vor und lernt aus den Fehlern der Vergangenheit.

Übrigens: An jenem Tag, an dem Barroso die Euro-Krise offiziell für beendet erklärte und forderte, daß wir Bürger nicht länger darüber sprechen, prophezeite uns einer der bekanntesten Großinvestoren der Welt einen absehbaren großen Krieg: der Hedgefonds-Manager Kyle Bass. Er erwartet gewaltige bewaffnete Auseinandersetzungen aufgrund der Euro-Schuldenkrise. Er erklärte am 6. Januar 2013, noch nie habe die Menschheit bei einer derart hohen Schuldenlast den Frieden bewahren können. Die enorme weltweite Verschuldung, vor allem in den USA und in Europa, werde nicht nur zu gewaltigen Steuererhöhungen, Renten- und Lohnkürzungen führen, sondern auch direkt in den Krieg münden: „Ich weiß noch nicht, wer gegen wen kämpfen wird, aber ich bin mir sicher, daß in den nächsten Jahren Kriege ausbrechen werden, und nicht nur kleine.“

Sofort fielen Politiker und Medien über den erfolgreichen Manager her und erklärten ihn zu einem „Wichtigtuer“ und „Schwarzseher“. Bekanntermaßen hat man auch in den 1990er Jahren jene, die uns schlechte Zeiten mit dem Euro voraussagten, zu „Schwarzsehern“ gestempelt. Jegliche Kritik am Abschied von D-Mark und Schilling wurde unterdrückt. Euro-Skeptiker wurden damals stigmatisiert. Inzwischen wissen wir, daß die „Schwarzseher“ recht hatten.

Tatsächlich stand die überwältigende Mehrheit der Fachleute der Euro-Wäh-rungsunion von Anfang an skeptisch gegenüber. Sie wurden zwei Jahrzehnte lang als „Europafeinde“ gebrandmarkt. Man hetzte den Verfassungsschutz auf sie, und die Medien schrieben sie nieder. Heute, wo sie mit ihren schlimmsten Prognosen recht behalten haben, besitzen Politik und Medien auf einmal große Erinnerungslücken. Doch damit nicht genug: Politik und Medien machen immer noch so weiter wie bisher – und orientieren sich an falschen Propheten.

 

Dr. Udo Ulfkotte, Jahrgang 1960, ist Politologe und Publizist. In der JUNGEN FREIHEIT warnte er 2011 vor sozialen und ethnischen Unruhen in Deutschland (JF 34/11).

Unser Text ist – mit freundlicher Genehmigung von Autor und Verlag – ein Auszug aus dem neuen Buch von Udo Ulfkotte: Raus aus dem Euro – rein in den Knast. Kopp Verlag 2013, gebunden, 304 Seiten, 19,95 Euro

Foto: Drakonische Strafen im Mittelalter (zeitgenössische Darstellung): „Wer die Tricks durchschaute und erklärte, der galt als Miesmacher und Störenfried“

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