© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  15/13 / 05. April 2013

Promotionswesen im 19. Jahrhundert: Nebenverdienst der Professoren
Das Doktordiplom kam per Post
(wm)

Wie die Dichter Emanuel Geibel und Friedrich Hebbel, so promovierte auch ihr Altersgenosse Karl Marx „in absentia“. Damit sind nur drei Prominente unter einigen tausend Doktoren genannt, die die Universität, die sie promovierte, nie betraten. An dieses dunkle Kapitel deutscher Hochschulgeschichte erinnert der Göttinger Historiker Ulrich Rasche (Forschung&Lehre, 3/2013). Schuld an der Konjunktur der Absenspromotionen war die lausige Professorenbesoldung vor allem an außerpreußischen Universitäten wie Jena, Gießen oder Rostock. Die Promotionsgebühr fundierte dort das zweite Gehalt. Als Gegenleistung kam das Doktordiplom per Post, oder es konnte auf der Durchreise nach „kurzer niveauloser mündlicher Prüfung“ abgeholt werden. Solche „Promotionen im Stile von Guttenberg und Co.“ waren bis 1876, als der Berliner Alt-historiker Theodor Mommsen diese Praktiken skandalisierte und die Remedur einleitete, im 19. Jahrhundert die Regel. Die juristischen Fakultäten von Jena, Leipzig und Heidelberg hielten sich diese Einnahmequelle sogar bis 1900 offen. Ganz abgeschafft wurde die Professoren zufließende Gebühr erst 1935 durch das Reichswissenschaftsministerium. Jüngste Plagiat-Skandale könnten jedoch Ausdruck erneuter Ökonomisierung des deutschen Promotionswesens sein.

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