© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  16/13 / 12. April 2013

Vom Fürstennest zum Folterkeller
Die vielen Schicksale der Villa Dürckheim: In Weimar ist eine eindrucksvolle Van-de-Velde Ausstellung zu sehen
Richard Stoltz

In Weimar läuft zur Zeit (unter dem Titel „Leidenschaft, Funktion, Schönheit“) im Neuen Museum eine eindrucksvolle Ausstellung zur Feier des 150. Geburtstags von Henry van de Velde. Der berühmte Architekt und Jugendstilkünstler (1863–1957) hat ja das Bild der Goethestadt tief geprägt, und fast nicht weniger interessant als seine Bauten selbst ist das Schicksal, das ihnen im Lauf der Zeiten widerfuhr.

Da ist zum Beispiel die Villa Dürckheim, 1912 im Auftrag des reichen und generösen Grafen Friedrich von Dürckheim-Montmartin in der Cranachstraße 47 errichtet und von da an glanzvolle Familienresidenz und beliebter Treffpunkt berühmter Künstler und Gelehrter. 1928 erwarb die Aktiengesellschaft „Thüringische Werke“ die Villa als repräsentatives Verwaltungsgebäude. 1945 beschlagnahmte es die sowjetische Besatzungsmacht als Sitz für die eigene Kommandantur, 1968 übergab sie es der SED, die es umgehend zum Stasi-Gefängnis für den Bezirk Erfurt machte.

Das Grundstück wurde mit einer hohen Mauer umgeben und für jeden öffentlichen Zugang gesperrt. Hinter den Mauern spielten sich bis 1989 die üblichen Prügel- und Verhörszenen ab. Nach der Wiedervereinigung erhielten die Vereinigten Energiewerke AG (Vattenfall) als Rechtsnachfolger der Thüringenwerke den Komplex zurück und sorgten für die Entfernung von Überwachungsanlagen, Stahlschränken, Fenster- und Türgittern.

2006 erwarben zwei kunstsinnige Münchner Architekten das Anwesen, die das legendäre Gebäude der Stadt als repräsentative Räumlichkeiten für öffentliche Anlässe zur Verfügung stellen und es Schritt für Schritt „im Sinne van de Veldes“ restaurieren wollen. Was aber wäre denn im Sinne van de Veldes? Der Urzustand à la Graf Dürckheim mit modern-dekorativen Deckchen und jugendstiligen Eckchen? Der bauhausähnliche Verwaltungsstil à la Thüringenwerke und Vattenfall? Oder doch der Stasi-Stil inklusive Fenstergittern, Abhöranlagen und Folterkellern?

Wie man es machen wird, wird man es falsch machen. Gebäude, nicht zuletzt Van-de-Velde-Villen, haben nun mal ihre Schicksale. Und Schicksale kann man nicht restaurieren.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen