© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  16/13 / 12. April 2013

CD: Dunkelwerk
Tanz auf dem Vulkan
Nils Wegner

Endzeit Electro“ – mit diesem etwas kruden Begriff beschreibt Martin V. Kester alias „losttrooper“ den musikalischen Anspruch seines Projekts Dunkelwerk. Das Erstlingsalbum „Troops“ von 2005 sorgte mit seiner tanzbaren „Electronic Body Music“ (einer Art Gothic-Version des Techno) und der Thematisierung von Krieg, Zerrissenheit und Verlust für einiges Aufhorchen in der Szene. Insbesondere die ergreifende Vertonung eines letzten Briefs aus dem Kessel von Stalingrad, unter dem Titel „Sternensoldat“, war so bis dato nicht zu hören gewesen. Nicht zuletzt damit wandte Kester sich gegen die unterstellte Kriegsverherrlichung durch ähnliche Musik.

2009 kam das Nachfolgealbum „Höllenbrut“, das eher auf die Gothic-Szene zugeschnitten schien; wohl einer der Gründe, weswegen ein breiteres Echo darauf ausblieb. Nun aber ist mit „Operation: Duesterland“ ein neues Album erschienen, auf dem der „losttrooper“ thematisch zu seinem Leisten zurückkehrt. „Nur eines zählt am Ende – die Spuren von Liebe, die wir hinterlassen zwischen Schutt und Geröll“, heißt es im gesprochenen Intro, ehe „Die Unglückshaften“ das „Tal der Tränen“ zur „Stunde Null“ eröffnet.

Der Einwurf „Ladies and Gentleman, der Brandstifter spricht“ beschwört eine groteske Zirkusatmosphäre herauf, die sich im Folgelied „Schnuffi!?“ noch verstärkt. Das dieser Titel aus einer Musikwunschsendung des Großdeutschen Rundfunks stammt und der Name eines Bunkers ist, mag man kaum glauben – die Auszüge aus der Originalsendung, die das Lied bestimmen, lassen jedoch keinen Zweifel. Es schließt sich das Stück „Bissige Kröte“ an, das sich mit der Person Martin Bormanns befaßt. Hier schafft es Kester erstmals zur musikalischen Wucht seines Erstlings zurück – ebenso wie zu seiner Angewohnheit, deutsche und englische Textzeilen aneinanderzureihen.

„Kommt!“ spielt häufiger eben dieses Fragment aus der Parteitagsansprache Hitlers an die versammelte HJ von 1934 („... und hinter uns kommt Deutschland!“) ein, stellt dem jedoch auch die „Their Finest Hour“-Rede Winston Churchills gegenüber. Das Thema von „Flamingo“ läßt sich nur erahnen; Wochenschau-Samples über Luftkriegführung und die Unternehmungen des Hilfskreuzers „Thor“ wechseln sich ab. Daß es ein gleichnamiges Modell aus der Flugzeugfabrik des Jagdfliegers Ernst Udet gab, hilft bei der Entzifferung nur wenig weiter.

„Jetzt ist die Zeit!“, heißt es zur Eröffnung von „321tot...“; tatsächlich jedoch bemüht das schwermütige Lied lediglich das Vergänglichkeitsmotiv des Blattes im Wind. „Das Wort der Front“ kommt ganz ohne gesprochenen Text aus, während „Katjuscha“ die Drangsal des Soldaten in Krieg und Frieden gegen das ferne Idyll der Heimat und der politisch Verantwortlichen stellt. In „Häuserkampf“ scheint dann leichte Endzeitstimmung auf, während das Schlußstück „Flucht“ trefflich die Atmosphäre des völligen Zusammenbruchs der Fronten einzufangen vermag.

Insgesamt weiß „Operation: Duesterland“ leider selbst nicht, was es sein soll. Tanzbar sind die Lieder zu einem Großteil nicht, und die epische Wucht martialischerer Projekte fehlt dem Werk komplett. Hörenswert ist die CD jedoch allemal, und sei es nur als Hintergrundmusik.

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