© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  17/13 / 19. April 2013

NSU-Prozeß verschoben
Scherbenhaufen
von Günter Bertram

Nachdem das Bundesverfassungsgericht mit fragwürdigem Recht – aber unter einhelligem Applaus der Medien – hinsichtlich der Platzvergabe für Medienvertreter in die Dispositionen des dafür allein zuständigen Münchner Senatspräsidenten eingegriffen hatte, schwillt angesichts der Terminverschiebung die öffentliche Schelte zu schriller Höhe. Dabei hatte der Vorsitzende nur entschieden, nunmehr einen von zwei Wegen zu beschreiten, die ihm die Karlsruher Kollegen oktroyiert hatten, und dies ließ sich nicht mehr so schnell abmachen wie das lockere Aufstellen von drei weiteren Stühlen für Türken und Griechen, wie es den drei Verfassungsrichtern als kaum ganz durchdachte Alternative zur Neuakkreditierung vorgeschwebt hatte. Dies alles ist aber nur der Vordergrund.

Was hier wirklich Sorge bereitet, ist die ungenierte Inpflichtnahme eines Gerichts durch Politik und Medien, die vom Routinehinweis auf die gerichtliche Unabhängigkeit nur um so greller beleuchtet wird. Leid und Gefühle der Opfer verdienen jeden Respekt. Ihre Instrumentalisierung zur moralischen Diskreditierung eines Gerichts, das seine schwierige Aufklärungsarbeit nur in völliger Freiheit und Unabhängigkeit wird leisten können, ist aber ein schäbiger Mißbrauch.

 

Günter Bertram war Vorsitzender Richter am Hamburger Landgericht.

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