© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  17/13 / 19. April 2013

Bereicherung auf bayerisch
Berlin: Bei der Vorstellung seines neuen Buches rechnet Staatsrechtler Hans Herbert von Arnim mit der Diätenpolitik der Landtagsfraktionen im Freistaat ab
Thorsten Brückner

Die bayerische Mentalität ist in vielerlei Hinsicht einzigartig. Einzigartig ist jedoch auch  die Mitnahmementalität der Landtagsabgeordneten im Freistaat, so die steile These von Hans Herbert von Arnim.

Dabei ließ der emeritierte Staatsrechtler bei der Vorstellung seines neuen Buches am Montag in Berlin keine Zweifel daran, warum er sich gerade die Gegend zwischen Hof und Garmisch-Partenkirchen als Untersuchungsobjekt zur Selbstbediener-Mentalität von Politikern ausgesucht hat. Nicht nur sei Bayern an der Spitze, was Abgeordnetenzuwendungen anbelangt, sondern auch was die Möglichkeiten für die Bürger betrifft, sich dagegen zu wehren. Das Instrument der Popularklage können dabei auch Nichtbayern nutzen. Sogar Rheinländer, wie von Arnim, der sich noch nicht entschlossen hat, ob er klagen will, mit Verweis auf seine Herkunft süffisant bemerkt.

Das Hauptproblem sieht der renommierte Staatsrechtler, der zuletzt mit seiner Klage vor dem Bundesverfassungsgericht die Fünfprozenthürde bei Europawahlen zu Fall brachte, dabei in der mangelnden Transparenz. „Eine Erhöhung der Diäten muß per Gesetz geschehen, nicht versteckt im Haushalt wie das in Bayern passiert!“, fordert er. Weiter prangert er die angebliche Vetternwirtschaft im Freistaat an. In jedem anderen Bundesland sei es verboten, Familienangehörige einzustellen, nicht so jedoch in Bayern.

Dabei richtet sich von Arnims Kritik nicht allein gegen die CSU, sondern gegen alle im Landtag vertretenen Parteien, die der Erhöhung der Fraktionsbezüge von 9,6 Millionen Euro im Jahr 2008 auf 15,7 Millionen 2013 einstimmig ihren Segen erteilt haben. „Als Opposition, die eine übermächtige Regierung in die Schranken weisen will, können wir das nicht mit ein paar halbverhungerten Abgeordneten tun, die müssen ja auch ihre Familien ernähren“, rechtfertigt sich Freie-Wähler-Chef Hubert Aiwanger, der neben von Arnim zusammen mit dem ehemaligen Haushaltsexperten der Grünen Oswald Metzger (CDU) und Anke Domscheit-Berg von der Piratenpartei zur Podiumsdiskussion angetreten ist. „Wir könnten die Parlamentarier auch kürzer halten, so Aiwanger, aber dann müßten die schlucken, was die Partei ihnen auf den Tisch legt.“ Es sei besser für die Demokratie, wenn Abgeordnete gegenüber ihrer Fraktion finanziell unabhängig sind.

Die Stoßrichtung gegen die CSU blieb bei der ganzen Veranstaltung nicht nur aufgrund der Anwesenheit von Aiwanger jedoch unverkennbar. 13.700 Euro erhalte der CSU-Fraktionsvorsitzende im Bayerischen Landtag zusätzlich zu dessen ohnehin schon üppigem Abgeordnetengehalt. Seine Stellvertreter bekämen immerhin noch über 5.000 Euro zusätzlich. Die Partei als Ganzes profitiere zudem, führt von Arnim in seinem Buch aus, von der Wahlkampfkostenerstattung, die alle Stimmen bis zur Zahl von vier Millionen mit 85 Cent und danach nur noch mit 70 Cent versilbern würde. Er beklagt, daß die CSU hier anders als die Landesverbände der Mitbewerber von FDP, SPD und Grünen einen Wettbewerbsvorteil habe.

Ein kämpferischer Aiwanger ließ es sich an diesem Vormittag auch nicht entgehen, noch einige Pfeile in Richtung der „Alternative für Deutschland“ (siehe Seite 5) abzuschießen. Anstatt über angeblich so hohe Diäten zu sprechen, sollte man sich doch vielmehr auf eine Partei konzentrieren, die gerade noch in ihrer Gründung sei und sich fragen, wo deren ganzes Startkapital von einer Million Euro herkomme.

Schon fast in der Rolle des Elder Statesman fand sich der abwägend argumentierende Vizechef der CDU-Mittelstandsvereinigung Oswald Metzger wieder. Die steuerpflichtigen Gehälter der Abgeordneten seien nicht zu hoch, wohl aber die Ruhestandsbezüge, die selbst die von Arbeitnehmern überträfen, die ihr Leben lang an der Beitragsbemessungsgrenze eingezahlt hätten.

Von Arnim lieferte hierzu gleich das passende Rechenbeispiel. Ein durchschnittlicher Arbeitnehmer bekomme pro Einzahlungsjahr 30 Euro pro Monat Rente. Bei Bundestagsabgeordneten liege dieser Betrag bei 207 Euro. Übertroffen würde dies einmal mehr von den bayerischen Landtagsabgeordneten, die auf 290 Euro pro Monat kämen.

Einig zeigte sich Metzger mit Aiwanger in der Frage des Zusammenhangs von Abgeordnetenbezügen und der demokratischen Kultur. Allzu niedrige Bezüge würden den Abgeordneten in noch stärkere Abhängigkeit von seiner Partei treiben. Schon jetzt sei durch das Ämterrekrutierungsmonopol der Parteien dafür gesorgt, daß Lemminge anstatt Leute mit Ecken und Kanten aufgestellt würden. Verschärft werde dies noch durch das neue Wahlrecht, nach dem im September erstmals mehr Abgeordnete über die Parteiliste als direkt gewählte Wahlkreisabgeordnete in den Bundestag einziehen werden.

Scharf ging von Arnim am Ende der Veranstaltung noch mit der mangelnden Trennung von Amt und Mandat ins Gericht. Derzeit müßten sich 44 Mitglieder des Bundestags quasi selbst kontrollieren, weil sie entweder gleichzeitig Minister oder Staatssekretäre sind. „Beamte dürfen nicht Mitglied des Bundestages sein, aber ein Minister, der oberste Chef der Beamten, schon. Das ist doch aberwitzig.“

Hans-Herbert von Arnim: Die Selbstbediener. Wie bayerische Politiker sich den Staat zur Beute machen, Heyne Verlag München, 2013, broschiert, 254 Seiten,  12,99 Euro

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