© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  17/13 / 19. April 2013

Grüße aus Kapstadt
Milliarden- Traumstadt
Yorck Tomkyle

Sie glauben, daß es in einigen Euro-Ländern politische Traumtänzer gibt? Dann besuchen Sie mal Kapstadt! Dort können Sie die Mütter und Väter aller politischen Traumtänzereien bei ihrer segensreichen Tätigkeit beobachten.

Eine neue Stadt mit Hunderttausenden Häusern trotz leerem Stadtsäckel? Kein Problem! Bis zum Jahr 2036 möchte die Stadtverwaltung etwa 30 Kilometer vom Zentrum Kapstadts auf etwa 3.000 Hektar eine riesige neue Stadt mit 200.000 (!) Häusern, 400 Schulen und mehreren hundert öffentlichen Gebäuden errichten. Nach Fertigstellung sollen dort etwa 800.000 Einwohner mit geringen Einkommen leben. Kosten soll das Ganze umgerechnet etwa 15 Milliarden Euro. Bei diesem gigantischen Projekt dürfte lediglich die Zahl der potentiellen Bewohner kein Problem sein, hat die Stadt ihren ärmeren Bürgern doch bereits seit Jahren bessere Wohnbedingungen versprochen.

Versprechungen, die bislang nur äußerst notdürftig eingehalten wurden: Im Rahmen des erheblich weniger ambitionierten „N 2 Gateway Housing Project“ wurden von den geplanten 25.000 Häusern nach Jahren weniger als 1.000 Wohneinheiten fertiggestellt, von denen die meisten wohl wegen Baumängeln wieder abgerissen werden müssen. Für dieses Projekt siedelte man etwa 10.000 Bewohner „vorübergehend“ zwangsweise aus ihren Gebieten um. Diese warten bisher vergeblich darauf, in die neue Siedlung einziehen zu können. Der Ärger darüber mündet mittlerweile immer häufiger in öffentlichen Protesten.

Wie die Stadtverwaltung vor dem Hintergrund leerer Kassen und einer dauerhaft schlechten Wirtschaftslage derartige Pläne auch nur ansatzweise meint umsetzen zu können, bleibt den Bewohnern der Metropole am Kap ein Rätsel. Zumal im gleichen Atemzug massive Kürzungen von Ausgaben der öffentlichen Hand angekündigt wurden. So sollen allein durch Nichtbesetzung freiwerdender Stellen im öffentlichen Dienst bis zu 46 Millionen Rand eingespart werden. Die Streichliste umfaßt sogar Posten wie die Möblierung öffentlicher Gebäude, so daß man sich auf den Straßen Kapstadts sarkastisch fragt, ob denn die Architekten die neue Reißbrett-Stadt im Stehen planen werden.

Besserung ist angesichts der täglichen Mißwirtschaft und der massiv zunehmenden Korruption nicht nur in Kapstadt sicher nicht in Sicht. Und so blicken viele hier mit einer gewissen Wehmut auf die Traumtänzer in Europa.

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