© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  17/13 / 19. April 2013

Zeitschriftenkritik: Tumult
Konsensstörungen
Werner Olles

Ursprünglich von Frank Böckelmann, Dietmar Kamper und Walter Seitter als Zeitschrift für Verkehrswissenschaft gegründet, erschien Tumult erstmals 1979. Nach einer wechselvollen Reise durch verschiedene Verlage erscheinen unter dem Reihentitel „Tumult – Schriften zur Verkehrswissenschaft“ die Themenbände und Monographien nunmehr in Buchform. Doch haben Böckelmann und Seitter, ermuntert durch die „auffällige Zurückhaltung der Intellektuellen angesichts der Konvulsion globaler Mächte und Märkte“, diesen nun ein „periodisch erscheinendes Organ für aktuelle Auseinandersetzungen“ zur Seite gestellt: die Vierteljahreszeitschrift Tumult. Bereits die erste Ausgabe (Frühjahr 2013) wird dem Anspruch der Herausgeber und Redakteure gerecht, „eine Plattform für Stellungnahmen von Selbstdenkern ohne akademische und volkspädagogische Sprachregelungen“ zu schaffen, die auch „literarische bzw. experimentelle Textsorten“ aufnimmt.

Wenn die Zeiten härter und die Räume enger werden, poststaatliche Kriege zum Normalfall erklärt und Aufklärungskritik von den Dunkelmännern der spezifisch modern-progressistischen Feldpostnummer kurzerhand als „reaktionär“ oder gar „faschistoid“ gebrandmarkt wird, sind klare Worte angesagt. Dafür sorgen hier unter anderem die Autoren Thomas Kapielski, Sebastian Hennig, Alexander Schuller, Stefan Dornuf, Reinhard Falter und Petra Gehring. Kapielkis Beitrag „Der kalte Friede“ räumt dabei nicht nur mit der Illusion auf, die Welt würde mit dem Endsieg des Westens friedlicher, sondern befaßt sich auch mit dem Freisetzen des Gewaltkerns im Zeitalter poststaatlicher Gewalt. Aus naheliegenden Gründen vergißt er auch nicht das europäische Geld, den einst als angeblich friedensstiftend in die Welt gesetzten Euro, für jene Zwietracht und Mißgunst verantwortlich zu machen, die inzwischen unter den Völkern und Staaten Europas herrscht.

Stefan Dornuf erinnert an den im September 2012 verstorbenen „letzten Marxisten“ Robert Kurz, dessen prinzipielle Trennung eines „esoterischen“ von einem exoterischen Marx auf das komplette Unverständnis und die geballte Ablehnung der sozialdemokratischen, gewerkschaftlichen und kommunistischen Kader stieß, während seine grundlegende Kritik am sogenannten „Arbeiterbewegungs-Marxismus“ bei der „Bewegungslinken“ gar blanken Haß erntete. Tatsächlich wurde Kurz’ ebenso treffende wie originelle Bezeichnung der traditionellen Arbeiterbewegung als „schiere Charaktermaske des variablen Kapitals“ an keinem aktuellen Phänomen so deutlich wie an der gegensätzlichen Einschätzung der Spekulanten. Während die Linke sie als „Heuschrecken“ diffamiert, die die Finanzkrise ausgelöst hätten, betrachtet der authentische Marxist Kurz sie lediglich als Beschleuniger derselben. Ein kleiner, aber feiner und letztlich entscheidender Unterschied.

Hingewiesen werden muß noch auf den sehr lesenswerten und nachdenklich stimmenden Beitrag von Sebastian Hennig über „Breiviks Geister“, der die andere, dunkle und katastrophale Seite der menschlichen Existenz hervorhebt und sich damit von wohlfeilen, politisch-korrekten Erklärungsmustern deutlich absetzt.

Kontakt: Büchse der Pandora Verlags-GmbH, Postfach 2820, 35538 Wetzlar. Einzelpreis 8 Euro.

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