© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  17/13 / 19. April 2013

Linker Antisemitismus
Von der Katastrophe nichts begriffen
(dg)

Behandelt Wolfgang Kraushaars jüngstes Buch die Praxis des „terroristischen Antisemitismus“ unter westdeutschen Linken (JF 12/13), begnügt sich Klaus Kempter mit dem Theoriediskurs, den Linke fast unter Ausschluß der Öffentlichkeit über „das jüdische Problem“ führten (Zeitschrift für Ideengeschichte, 1/2013). Im Zentralarchiv für die Geschichte der Juden in Deutschland (Heidelberg) fand er den knappen Briefwechsel, worin Jean Améry und der im Oktober 1974 durch Freitod geendete Joseph Wulf, zwei jüdische Publizisten und „Auschwitz-Überlebende“, auf den nach 1967 aufbrechenden „neuen, linken Antizionismus und Antisemitismus“ reagierten. Amérys sarkastischer Essay „Der ehrbare Antisemitismus“ von 1969 habe in der gegenwärtigen Debatte zwar „kanonische Bedeutung“ erlangt, doch Wulfs Position zur „Israelfeinschaft der Neuen Linken“ sei bis heute unbekannt. Dabei habe Wulf nicht nur die latente Judenfeindschaft in der Studentenbewegung ins Visier genommen, sondern auch das Gros deutscher Schriftsteller, die Israel ihre Solidarität verweigerten. Und unter „linksorientierten“ Wissenschaftlern sah es nicht besser aus. Dort habe man gern „Faschismustheorie“ exerziert, aber entgegen „späterer Selbstnobilitierung“ nichts zur Aufklärung über die NS-Zeit beigetragen und daher nichts von der „jüdischen Katastrophe“ begriffen. (dg)

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