© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  17/13 / 19. April 2013

Spielt eure Kinder intelligent!
Zeit mit der Familie verbringen: Vergnügen, Gemeinschaft, Ehrgeiz und Scharfsinn beim Lexikon-Spiel erleben
Ellen Kositza

Quality Time“ ist das pädagogische Stichwort und das Leckerli für Eltern, die ihr „Betreuungsproblem“ zufriedenstellend gelöst haben, die aber gelegentlich ein schlechtes Gewissen plagt darüber, daß die Erziehung weitgehend delegiert ist. Eine halbe, auch nur eine Viertelstunde „bewußt miteinander verbrachte Zeit“ sei für Kinder arbeitstechnisch beanspruchter Eltern wertvoller als der dröge, minderqualitative gemeinsame Alltag, wissen progressive Experten. Eine einzige gemeinsam eingenommene Mahlzeit pro Tag zeugt demnach schon von klasse Qualität.

Junge Eltern halten oft ganze Asservatenkammern zum Zwecke der materialreichen „Beschäftigung“ ihres Zöglings bereit. Mal sprechen die Dinge, generieren Geräusche und Melodien, oft gelten sie als pädagogisch wertvoll und schweigen. Mit dem Nachwuchs nachgerade zu „spielen“ ist in der Tat ein moderner Luxus. Diese Qualitätskompetenz ist auf dem Rückzug. Wem keine Spiele für den Vierjährigen einfallen, der wird zehn Jahre später nicht dazugelernt haben. Dabei spielen selbst größere Kinder gern, heute meistens in anonymer Gemeinschaft, nämlich auf der Mattscheibe des Rechners. Die Lust am Spiel ist zutiefst menschlich (man denke an Johan Huizingas „homo ludens“). Geselligkeit, Dynamik, Innovation und Ehrgeiz begleiten das spielerische Handeln. Zeitvertreib, welch diskreditierendes Wort!

Warum nicht an regnerischen Apriltagen mal wieder die angestaubten Kartons mit ausgezeichneten Spielen wie „Die Siedler von Catan“, „Kuhhandel“, „Hase und Igel“ oder dergleichen auftischen? Für Familien, deren Nachwuchs vorgefertigte Brettspiele als schematisiert, unkreativ oder „sinnlos“ empfindet, bietet sich eine geistreiche Alternative an.

Der Spaß kursiert seit Jahrzehnten unter dem Namen „Lexikon-Spiel“, es existieren auch kommerzielle Varianten davon. Das Spiel ist ein intellektuelles Vergnügen, doch auch Zehnjährige sollten nach ein paar Runden als Zuschauer passabel mithalten können. Das Spiel schult das Formulierungsvermögen ungemein!

Wir können dazu ein Lexikon zur Hand nehmen, am günstigsten ist ein Fremdwörterbuch, auch der gewöhnliche Duden tut es. Ein Spieler sucht ein Wort aus, das allen Anwesenden unbekannt ist. Jüngere Kinder brauchen bestimmt ein paar Anläufe, sie werden mit Ungetümen wie „Austromarxismus“ oder „Kontamination“ ankommen.

Sagen wir „Sloka“. Jeder schreibt eine mögliche Kurzdefinition auf sein Blatt, möglichst wörterbuchadäquat formuliert. Die Oma schreibt, „Sloka“ sei eine skandinavische Zeltbauweise. Die Enkelin notiert „Rindfleischsuppe der (vorwiegend) estnischen Balten“, der Vater: „Olympische Teildisziplin beim Kugelstoßen“, die Mutter: „Sanskritdichtung, aus zwei 16silbigen Versen bestehend“, der Bruder: „leichte Fußbekleidung des antiken Rom“ und die Schwester formuliert: „britische Mineralölmarke, nach langjähriger Weltmarktführerschaft 1979 insolvent“.

Die Mutter, die das Wort ausgesucht und die richtige Bedeutung notiert hat, sammelt die Vorschläge ein und liest sie – lachen nicht erlaubt! – vor, darunter die korrekte Umschreibung. Die Mitspieler raten, was die wahre Definition sei. Wer richtiggelegen hat, erhält einen Punkt, ebenso diejenigen, auf deren Erfindung getippt wurde. Selbstverständlich hat auch jemand die Erklärung der Jüngsten für wahr gehalten, die „Sloka“ als „Opferfest, bei dem sich alle auf einen bestimmten Fisch konzentrieren“ umschrieben hat.

Als nächstes darf sie einen Begriff auswählen. „Julep“, was das wohl sein mag? Ein in England beliebtes Erfrischungsgetränk, die „Jewish Union of Ladino Expressing People“, zu deutsch: Gemeinschaft der Ladino sprechenden Juden, oder ein flandrischer Weihnachtsbrauch mit germanischen Wurzeln? Qualitätszeit: garantiert.

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