© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  18/13 / 26. April 2013

Meinungsfreiheit
Genter Frühling
Barbara Bonte

Nach dem „Arabischen Frühling“ im Nahen Osten gibt es seit einem Monat in Gent, einer Stadt in Flandern, eine Entsprechung: den „Genter Frühling“. Er begann am „Internationalen Tag gegen Rassismus“ mit einem denkwürdigen Ereignis, als nämlich die Wörter „Allochtoon“ (niederländisch für Einwanderer) und „Autochtoon“ (also Einheimischer) begraben wurden. Ja, Sie lesen richtig: die Wörter wurden buchstäblich in den Boden gesteckt – von Gents sozialistischem Bürgermeister und einigen linken Gruppen, die diese Aktion unterstützten. Das alles fand im Beisein von Schülern statt, die währenddessen Liedchen über das Sich-Vertragen sangen – die Indoktrination kennt wirklich keine Grenzen.

Mit der Bestattung der beiden Worte sollte die „Solidarität“ ausgebaut werden, so lautete die Begründung der Initiatoren. Denn die betreffenden Wörter seien inzwischen negativ konnotiert. Auch andere flämische Städte sind dem Beispiel Gents inzwischen gefolgt und haben bestimmte Begriffe zensiert. Allerdings verschweigen sie, warum das Wort „Einwanderer“ seit einiger Zeit so negativ besetzt ist. Es genügt ein Bummel durch Großstädte wie Antwerpen, Brüssel oder Gent, um genau zu wissen, warum.

Die Beerdigung der Wörter „Einwanderer“ und „Einheimischer“ kommen einer Beerdigung der Meinungsfreiheit gleich. Wir sind an dem Punkt angelangt, wo man gewisse Dinge nicht mehr beim Namen nennen darf. Lieber bemäntelt man Probleme, anstatt zuzugeben, daß es sie gibt. Schließlich heiligt der Zweck die Mittel.

Die Einschränkung der Meinungsfreiheit oder die Einführung einer politisch korrekten Sprache durch den Staat offenbart viele Parallellen mit dem „Neusprech“ aus George Orwells Bestseller „1984“. Ziel dieser Sprache war, das Vokabular so zu reduzieren, um dadurch die Bevölkerung dauerhaft politisch auf Linie zu bringen. Eine Obrigkeit, die zensiert, entspricht nicht dem demokratischen Prinzip, sondern neigt zum Totalitarismus.

Auf jeden Fall werden die Probleme in unserer Gesellschaft nicht mit einem Sprach- oder Begriffsverbot gelöst, im Gegenteil. Wenn man die Dinge nicht mehr beim Namen nennen darf, drohen die Mißstände nur weiter zu eskalieren – und zwar mit allen Konsequenzen.

 

Barbara Bonte ist flämische Politikerin und ehemalige Vorsitzende der Vlaams-Belang-Jugend in Antwerpen.

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