© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  18/13 / 26. April 2013

Der Unmut wächst
Zuwanderung: Seit die Leistungen für Asylbewerber angehoben worden sind, steigt ihre Zahl unaufhörlich und bringt die Kommunen in Bedrängnis
Ronald Gläser

Am Sonnabend nachmittag bildet sich regelmäßig ein kleiner Menschenauflauf in der Potsdamer Straße in Teltow. Es sind nicht die Gutbetuchten, die sich vor dem vergitterten Gelände der ehemaligen Sportlerklause treffen. Hier ist jetzt der Teltower Tisch untergebracht, die lokale Version der Tafel.

Normalerweise drängeln sich gegen 15 Uhr, wenn das Tor geöffnet wird, etwa vierzig Personen. Diesmal sind es ein paar mehr. Neue Bedürftige mit anderen Hautfarben sind dazugekommen. Seit die kleine Stadt im Speckgürtel Berlins einen großen Schwung Asylbewerber aufgenommen hat, sind die deutschen Tafelbesucher nicht mehr unter sich. Die Neuen kommen vorwiegend aus Tschetschenien, Pakistan und dem Tschad.

Der Stimmung ist das eher nicht zuträglich. Claudia N. ist unzufrieden. Seit die Asylanten kommen, gehe es bei der Ausgabe rauher zu, berichtet sie. „Die drängeln sich vor, sind manchmal ganz schön rabiat“, berichtet sie ohne Zorn, aber mit leichter Empörung in der Stimme. Andere äußern ihren Unmut deutlicher. Eine Frau mittleren Alters schimpft leise vor sich hin und stellt dann die Forderung auf, die NPD solle mal vorbeikommen, um „gegen die Ausländer zu demonstrieren“. Sie berichtet von Kriminalität im Asylbewerberheim. Davon, daß Wachleute sich dort nicht mehr hineintrauten. Und daß das Gebäude „für die da“ neu renoviert worden sei. Jede Familie habe eine neue Einbauküche erhalten.

Die Unsicherheit ist groß. Die nahegelegene Kaufland-Filiale rekrutierte umgehend neues Wachpersonal. Auch Claudia N., die bei der Tafel unter anderem eine Stiege Erdbeeren und Nudeln ergattert hat, fragt sich, ob sie das nächste Mal wieder so viel Glück hat, wenn nun immer mehr Asylbewerber kommen.

Vor einigen Wochen ist die Situation richtig eskaliert. Mitte März kam es zum Aufeinandertreffen beider Gruppen bei der Essensausgabe. Sie sind zahlenmäßig etwa gleich groß. 200 Asylbewerbern stehen etwa genauso viele deutsche Bedürftige (Sozialhilfeempfänger, Hartz-IV-Bezieher, Grundsicherungsempfänger) gegenüber. Ein ehemaliger freiwilliger Mitarbeiter der wohltätigen Einrichtung in Teltow berichtet: „Trotz mehrerer Anfragen seitens des Leiters der Ausgabestelle, wie es sich denn mit den Asylanten verhält und wie man diesem zu erwartenden Ansturm Herr werden soll, wurde dieser Sachverhalt von der Stadt und der Diakonie heruntergespielt.“ Bei der Ausgabe „wurde einfach zugegriffen, was das Zeug hält“. Bitten um ein diszipliniertes Verhalten wurden „mit einem Lachen ignoriert“, berichtet ein Zeuge. Die Helfer der Tafel hätten es mit der Angst bekommen.

In der darauffolgenden Woche blieb die Tafel geschlossen. Die Diakonie teilte ihren ehrenamtlichen Kräften in einem vertraulichen Schreiben, das der JF vorliegt, mit, daß der Teltower Tisch nicht mehr öffnet. Der Grund: Viele Ehrenamtliche seien der Situatuion mit den Asylbewerbern nicht gewachsen gewesen. Weiter heißt es: „Dieses Signal soll einen öffentlichen Druck erzeugen, daß die Thematik der Asylbewerber in Teltow nur gemeinsam bearbeitet werden kann.“

Kein Zweifel: Teltow hat ein Problem. So wie viele Kommunen mußte der Vorort von Berlin Asylbewerber aufnehmen. Wohin also mit den Zuwanderern? Schnell war ein altes Wohnheim an der Hauptstraße – unweit jenes Teltower Tisches – gefunden. In Plattenbauten aus der DDR-Zeit, die lange leerstanden, sollten die Asylbewerber untergebracht werden. Eigentlich sollte aus den Wohnblöcken ein Seniorenheim werden. Doch dann kam der Landkreis auf die Idee, das Objekt anzumieten. Er gab sogleich eine Mietgarantie für fünf Jahre ab. Die Kosten für den Landkreis dürften bis zu eine Viertelmillion Euro pro Jahr ausmachen.

Bis zu 200 Asylanten sollen insgesamt in Teltow unterkommen. 200 Zuwanderer sind in einer 21.000-Einwohner-Stadt nicht viel. Zumal Teltow direkt an die Millionenmetropole Berlin grenzt. Und doch könnte hier sozialer Sprengstoff entstehen. Denn betroffen sind nach Recherchen der JUNGEN FREIHEIT nicht nur Bezieher von Sozialleistungen am untersten Ende der Einkommensskala. Auch die deutsche Mittelschicht muß plötzlich Abstriche machen: So ist das Angebot an Kindergartenplätzen beeinträchtigt. Es mehren sich die Absagen an die Eltern von Teltower Kindern mit der Begründung, daß keine Plätze mehr verfügbar seien. Unter der Hand heißt es, Asylantenkinder würden bevorzugt behandelt, um die Integration der Zuwanderer zu fördern.

Im Amtsblatt der Stadt Teltow heißt es über die Asylbewerber: „Die damit verbundenen Aufgaben der Stadt beziehen sich insbesondere auf die mögliche Unterbringung von schulpflichtigen Kindern und auf die Bereitstellung von Kindergartenplätzen.“ Und die Potsdamer Neuesten Nachrichten zitieren Bürgermeister Thomas Schmidt (SPD) mit den Worten, er sei überzeugt, „daß es gelingen wird, den Flüchtlingen in der Stadt ein positives Wohnumfeld bieten zu können“. Die Pressesprecherin der Stadt Teltow Andrea Neumann schließlich bestätigt die bevorzugte Vergabe von Kitaplätzen indirekt gegenüber der JF. Sie sagt: „Wir haben alle Kinder von Asylbewerbern untergebracht.“

Herausforderungen wie die in Teltow haben deutschlandweit viele Städte und Gemeinden zu meistern. Die Unterbringung der ständig steigenden Zahl von Asylbewerbern bereitet Verwaltungen Kopfzerbrechen. Allein im März gab es einen Zuwachs von 54 Prozent (verglichen mit dem Vorjahresmonat). Seit zwei Jahren kennt diese Kurve nur eine Richtung. Der ganze große Schwung setzte nach dem Bundesverfassungsgerichtsurteil vom Juli 2012 ein, als Asylbewerbern die gleichen Leistungen wie deutschen Sozialhilfebeziehern zugesprochen wurden.

So sucht der Berliner Senat händeringend nach Unterbringungsmöglichkeiten und schreckt nicht davor zurück, Seniorenheime in Asylantenunterkünfte umzuwandeln (JF 9/13). Zum Unmut der Anwohner. Auch in Baden-Württemberg protestieren Bürger gegen die Umwidmung von Gasthäusern oder Fabriken. Plauen im Vogtland hat gerade ein altes Hotel angemietet, um die Fremden unterzubringen. Auch Flensburg hat mehrere Häuser und ein Hostel angemietet.

Viele Bürger sind mit der Entwicklung unzufrieden. Der ehemalige Mitarbeiter der Teltower Tafel etwa hat frustriert das Handtuch geworfen: „Ich kann nur sagen, daß mir meine ehemaligen Helferkollegen wahnsinnig leidtun, ich aber auf der anderen Seite froh bin, diesem Ehrenamt nicht mehr nachzugehen.“

Foto: Asylbewerber in Teltow: Schlechte Stimmung bei der Teltower Tafel zwischen Zuwanderern und Deutschen

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