© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  18/13 / 26. April 2013

Die Nerven liegen blank
Frankreich: Aufgrund der Einführung von Homo-Ehe und -adoption im Eiltempo zeigt sich die Opposition kämpferischer denn je
Friedrich- Thorsten Müller

In Frankreich hat die sozialistische Regierung ihr linkes Prestigeprojekt Homo-Ehe im Eiltempo durch das Gesetzgebungsverfahren gepeitscht. Kaum zehn Tage nach dem positiven Votum des Senats stimmte am Dienstag in abschließender zweiter Lesung die Nationalversammlung erneut dem Gesetz zu, das künftig Homosexuelle auch bei der Adoption gleichstellt.

Die von der linken Mehrheit dominierte Präsidiumssitzung des Parlaments hatte vor der Lesung eine Redezeitbeschränkung auf insgesamt 25 Stunden beschlossen. Dieser ungewöhnliche Vorgang sollte es der rechten Opposition unmöglich machen, die Dabatte – wie bei der ersten Lesung – über Wochen in die Länge zu ziehen.

Tatsächlich hofft Präsident François Hollande, daß durch den schnellen Abschluß des Gesetzgebungsverfahrens auf Frankreichs Straßen endlich wieder Ruhe einkehrt. Die Nerven der linken Regierung liegen blank, nachdem in den letzten Monaten Demonstrationen mit insgesamt Millionen Teilnehmern gegen die – wie es heißt – „Zerstörung der Familie“ mobil machten. Hinzu kommt eine ausgeklügelte „Straßen-Guerilla-Taktik“, mit der verantwortliche Minister und Wortführer der Homo-Ehen-Befürworter auch außerhalb von Großdemonstrationen systematisch durch „Begrüßungskomitees“ heimgesucht werden. Sie müssen seither quasi jederzeit damit rechnen, mit Trillerpfeifen, Buhrufen oder Sitzstreiks konfrontiert zu werden. Die Senioren-Ministerin Mechèle Delaunay sah sich vor ihrem Haus in Bordeaux zum Beispiel plötzlich mit 300 Demonstranten konfrontiert.

Auch sonst nehmen Akte zivilen Ungehorsams ein lange nicht mehr gekanntes Ausmaß an. In Nantes wurde ein Schnellzug blockiert, vor der Nationalversammlung in Paris versuchten unter dem Motto „Camping für alle“ – in Anspielung an den Slogan „Ehe für alle“ – Aktivisten ein Zeltlager zu errichten.

Allen Aufrufen zur Gewaltfreiheit durch die Organisatorin Frigide Barjot zum Trotz kommt es aber auch gelegentlich zu tätlichen Entgleisungen. So klagen Homosexuellenverbände, daß seit dem Aufkommen der Diskussion über die Homo-Ehe homophobe Übergriffe um mehr als 30 Prozent angestiegen seien. In Paris wurde in diesen Tagen der Homosexuelle Wilfried de Bruijn brutal zusammengeschlagen, als er mit seinem Partner Arm in Arm durch die Straße lief. In Lille sollen vier junge Männer eine Schwulenbar überfallen haben.

Gleichzeitig wird aber von vielen das Vorgehen der Polizei gegen die weit überwiegend friedlichen Demonstranten als unverhältnismäßig hart empfunden. In jedem Fall gelingt es der Regierung und den linken Medien in diesem Kontext bisher nicht, durch Gewaltvorwürfe die Protestbewegung zu diskreditieren oder in die rechtsextreme Ecke zu stellen, selbst wenn sich immer wieder erzkonservative und nationalistische Organisationen wie Civitas oder GUD an Demonstrationen beteiligen.

Sogar der Erzbischof von Paris, An-dré Vingt-Trois, macht für Eskalationen letztlich Präsident Hollande verantwortlich, der durch sein stures Festhalten an der Homo-Ehe eine „durch fehlenden Grundkonsens gewalttätige Gesellschaft“ schaffen würde.

Die spannende Frage ist nun, ob die Proteste nach der Verabschiedung des Gesetzes entsprechend dem Regierungskalkül tatsächlich schnell abflauen werden.

Die nächste nationale Großdemonstration gegen das Gesetz war ursprünglich für den 26. Mai vorgesehen. Nun wurde unter dem Eindruck des beschleunigten Gesetzgebungsverfahrens eine weitere für den 5. Mai angekündigt. Es ist schwer vorstellbar, daß sich Millionen mobilisierte und auch sonst mit ihrer Regierung unzufriedene Franzosen danach einfach ins Private zurückziehen.

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