© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  18/13 / 26. April 2013

Das Geheimnis der blonden Indianer
Der Kulturwissenschaftler Hans Giffhorn hat ein aufschlußreiches Werk über das rätselhafte Andenvolk der Chachapoya vorgelegt
Peter Götz

Als die Inkas im 15. Jahrhundert in die Berge Nordostperus vordrangen, trafen sie – so ihre Berichte – auf ein ungewöhnliches Volk: wilde Krieger, größer und hellhäutiger als sie selber und ihre bis dahin härtesten Gegner. Die Inkas nannten das geheimnisvolle Volk ‘Chachapoya’, die ‘Nebelwaldkrieger’ oder ‘Wolkenmenschen’.“ Dieses rätselhafte Volk baute gewaltige Steinbauten, überlegter und größer als das vielbesuchte Machu Picchu. Und deren Schöpfer sahen so völlig anders aus als ihre indianischen Nachbarn. Auch die späteren spanischen Konquistadoren beschrieben sie als blond und hellhäutig.

Der Kulturwissenschaftler und Dokumentarfilmer Hans Giffhorn – er lehrte an den Universitäten Göttingen und Hildesheim – wurde bekannt durch seine zahlreichen Forschungsreisen und diversen Dokumentarfilme für ARD, ZDF und Arte. Der Verfasser beschreibt in vier Abschnitten die Ergebnisse seiner Forschungsreisen nach Südamerika: Die Rätsel der Chachapoya – Völker der Antike: Ein möglicher Schlüssel – Von Karthago über die Anden: Rekonstruktion einer Auswanderung – Nachfahren keltischer Einwanderer?

Zusammen mit Archäologen, Paläopathologen und Humangenetikern hat sich Hans Giffhorn 14 Jahre lang mit dieser rätselhaften Hochkultur in den Anden befaßt. Mit einer Reihe belastbarer Indizien belegt der Forscher seine These, daß es in der Antike eine Besiedlung von Südamerika durch europäische oder keltische Stämme gegeben habe, die mit den karthagischen oder phönizischen Seefahrern in Verbindung standen. Dies erinnert an die Thesen des Norwegers Thor Heyerdahl für eine mittelalterliche Seefahrt und Besiedlung Polynesiens vor den europäischen Entdeckungsfahrten im Pazifik.

Das reichhaltige Bildmaterial, auch von heutigen Chachapoya, bringt überraschende Belege, so die Fotos von „Gringuitos“, hellhäutigen, teilweise blonden „Indianern“ in abgelegenen Dörfern Nordostperus. Die Thesen von Hans Giffhorn erinnern an frühere Arbeiten der französischen Forscher Marcel Homet und Jacques de Mahieu aus den siebziger Jahren, die allerdings nicht im umfangreichen Literaturverzeichnis des Buches enthalten sind. Beide vertraten bereits eine vorkolumbische Berührung Südamerikas durch Europäer.

Die Thesen des Buches – zudem in einem so renommierten Sachbuchverlag erschienen – dürften ihre Wirkung nicht verfehlen: „Die Ermittlungen ergeben eine Fülle unterschiedlicher Indizien – manche mit hoher, manche mit geringerer Beweiskraft. Uns ist klar, daß wir nicht selten unerforschtes Terrain betreten mußten und uns nur auf wenige einigermaßen gesicherte Fakten stützen konnten. Es besteht noch viel Forschungsbedarf, neue Entdeckungen werden manches in neuem Licht erscheinen lassen…“

Das Buch ist aufwendig gestaltet, es darf getrost „schmuck“ genannt werden, und bietet eindrucksvolles Bildmaterial für einen Kulturvergleich, der neue Forschungs- und Deutungswege nach sich ziehen wird.

Hans Giffhorn: Wurde Amerika in der Antike entdeckt? Karthager, Kelten und das Rätsel der Chachapoya. Verlag C. H. Beck, München 2013, gebunden, 288 Seiten, Abbildungen, 18,95 Euro

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen