© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  19/13 / 03. Mai 2013

Lockerungsübungen
In der Vertrauenskrise
Karl Heinzen

Die Zustimmung der Bürger zur EU ist in ihren sechs bevölkerungsreichsten Ländern, so weisen es die Zahlen des aktuellen „Eurobarometers“ aus, markant gesunken. So glauben bereits 69 Prozent der Spanier, daß sie der Politik Brüssels nicht mehr vertrauen können. Damit haben sie sogar die traditionell eurokritischen Briten in den Schatten gestellt. Auch in Deutschland äußerten 59 Prozent der Befragten, daß sie den EU-Institutionen skeptisch gegenüberstehen, noch vor fünf Jahren waren es 36 Prozent gewesen.

Angesichts dieses schnellen Meinungsumschwungs macht sich in Brüssel offenbar Nachdenklichkeit breit. Man dürfte zwar enttäuscht sein, daß die Deutschen ihre Begeisterungsfähigkeit für die europäische Idee verloren haben, bloß weil sie für deren Verwirklichung in die Pflicht genommen werden und erstmals spürbare Opfer erbringen dürfen. Überraschen kann dies jedoch nicht. Unverständlich ist hingegen, daß sich die Spanier wie auch die Italiener mit präzisen und strikten Vorgaben für eine solide Haushaltspolitik oder gar finanzieller Unterstützung helfen lassen, dies aber mit Undank vergelten. Anscheinend kann Brüssel es derzeit niemandem recht machen.

Da es zu mehr Europa keine Alternative geben kann, sind nun Antworten gefragt. EU-Ratspräsident Herman Van Rompuy hat die seine formuliert: Die Wirtschaftskrise in Europa dauert einfach zu lange. Damit ist die Lage schon einmal ehrlich beschrieben. Fast einen Ausweg aus dieser bietet der Präsident der EU-Kommission, José Manuel Barroso: Die Austeritätspolitik war richtig, stößt nun aber an ihre Grenzen. Damit will er wohl sagen: Was nützt es, die Schuldenkrise in den Griff zu bekommen, wenn man sich damit eine Vertrauenskrise einhandelt. Vielleicht bedarf es ja sogar der Insolvenz von Nationalstaaten, um zu beweisen, daß ihre Zeit abgelaufen ist.

Barroso ist allerdings politisch erfahren genug, um zu wissen, daß man die Dinge nicht einfach treiben lassen darf. Seine Warnung, daß der Traum von Europa durch Populisten und Nationalisten bedroht wird, ist daher zugleich ein Appell: Die Ablehnung der Bürger läßt sich kaum beeinflussen, und sie wird vielleicht noch steigen. Man kann sie aber ihrer Sprachrohre berauben, durch die sie ihre private Verblendung auf die politische Tagesordnung setzen wollen.

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