© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  19/13 / 03. Mai 2013

Das unaufgeforderte Manifest
Markus Willinger und seine Interpretation der Identitären Bewegung bleibt im Oberflächlichen hängen
Nils Wegner

Glaubt bloß nicht, dies wäre nur ein Manifest: Dies ist eine Kriegserklärung!“ So schließt das intensive Protestvideo, das die französische „Génération Identitaire“ Anfang Oktober 2012 via Youtube veröffentlichte. Dieses wirkte auch auf dissidente Kreise in Deutschland, vor allem die sich langsam entwickelnde „Identitäre Bewegung“, elektrisierend. Offenbar auf einzelne so stark, daß dem Interessierten nun Dinge vorliegen wie das „Büchlein eines Autors, der nicht zur Bewegung gehört, den Rummel um diese Idee aber für seine Autorenkarriere nutzt“ (Götz Kubitschek).

Markus Willinger, Österreicher des Jahrgangs 1992, hat sich das Video der Franzosen offenbar so sehr auf den Leib gezogen, daß sein Bändchen – zuerst als „Book on demand“ selbst vertrieben, jetzt vom britischen neurechten Verlag Arktos aufgelegt – nicht nur mit derselben Kampfansage abschließt, sondern sich gleichsam „Die identitäre Generation“ nennt. Und obwohl das Buch äußerlich hübsch aufgemacht ist, mit zwei jungen Menschen aktivistischer Provenienz und im Farbschema der Identitären gehalten, weist bereits der Untertitel „Eine Kriegserklärung an die 68er“ auf das fundamentale Problem des Werks hin: Hier macht es sich jemand eindeutig viel zu einfach.

Ein Blick ins Inhaltsverzeichnis bestätigt dann, daß Willingers Schrift dem selbstgestellten Anspruch keineswegs gerecht werden kann. Satte 41 Kapitel füllen 96 Seiten – die Behandlung verschiedenster Themen vom „Weltuntergang“ über das „kritische Denken“ bis hin zur „Realitätsflucht“ kann man zwangsläufig nur sehr euphemistisch als gerafft bezeichnen. Darüber hinaus stellt eine Vorbemerkung fest, daß hier „ausschließlich die Meinungen, Ansichten und Thesen des Autors“ wiedergegeben würden; daß das das komplette Buch desavouiert, liegt auf der Hand. So beginnt man gleich zu Anfang, sich zu fragen, was das alles eigentlich soll.

Egal, was man inhaltlich erwarten mag – man wird frappiert. Denn hier liegt mitnichten eine sachliche Bestandsaufnahme vor. Stattdessen hat es das linke Netzportal publikative.org recht gut getroffen, als es von einer „Bibel“ sprach. Das Bemühen Willingers, unbedingt wie ein Nietzsche oder Spengler zu klingen, springt dem Leser von jeder Seite entgegen – und speziell die Ansprachen der „geliebten, ermordeten Geschwister“ (zum Thema Abtreibung) fließen vor Pathos nur so über. Mit dieser holprigen Dramatik kommt aber auch die Redundanz, und so ist zumindest der informative Wert des Buchs gering.

Einige interessante Denkansätze liefert „Die identitäre Generation“, jedoch ohne Weiterführung. Das ist schade, denn sie stellen den einzigen Grund dar, das Buch zu lesen – es sei denn, man möchte sich von einem überheblichen 21jährigen, der „seit seinem 15. Lebensjahr (...) für die neue Rechte politisch aktiv“ sein will, die Welt erklären lassen. Man sollte nicht den Fehler machen, dieses Werk mit den realen „Identitären“ zu identifizieren. Vielmehr bildet die hundertseitige Spiegelfechterei (ungewollt) authentisch ab, wie sehr mangelnde Sinnstiftung und multikulturell-liberalistische Realität junge Menschen verwirren können.

Markus Willinger: Die identitäre Generation. Eine Kriegserklärung an die 68er. Verlag Arktos Media, London 2013, broschiert, 106 Seiten, 12,50 Euro

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