© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  20/13 / 10. Mai 2013

Im Parlament angekommen
„Alternative für Deutschland“: Mit einem ehemaligen FDP-Mitglied ist die Euro-kritische Partei erstmals in einem Landtag vertreten
Henning Hoffgaard

An dieser Homepage wird gerade gearbeitet. Bitte versuchen Sie es zu einem späteren Zeitpunkt noch einmal.“ Der hessische Landtagsabgeordnete Jochen Paulus ist offline. Noch befindet sich auf seiner abgeschalteten Internetseite das Logo der FDP. Wahrscheinlich jedoch nicht mehr lange. Am Wochenende ist Paulus als erster Landtagsabgeordneter der „Alternative für Deutschland“ (AfD) beigetreten. Als Bühne für seinen Austritt aus der FDP suchte sich der 43jährige ausgerechnet den Gründungsparteitag des hessischen Landesverbandes der AfD aus. „Gerade ist meine Austrittserklärung der Landesgeschäftsstelle zugegangen“, sagte Paulus.

Seiner Ex-Partei warf er vor, den „wahnsinnigen Euro-Kurs bedingungslos“ mitzutragen. Im Namen seiner zehn und 16 Jahre alten Töchter forderte er ein Umdenken in der Schuldenpolitik. Die hessische FDP wurde von dem Parteiübertritt sichtlich überrascht. Landeschef Jörg-Uwe Hahn sagte, niemand in seiner Partei habe Verständnis „für das Verhalten des ehemaligen FDP-Abgeordneten Paulus.“ Damit ließ es Hahn allerdings nicht bewenden. „Obwohl er sich mit ärztlichen Attesten seit Monaten all seiner Mandatspflichten entzogen hat, verfügt er offensichtlich doch über ausreichend Vitalität, sich politisch zu engagieren.“ Die AfD bezeichnete er als „Sammelbecken älterer Professoren und enttäuschter ehemaliger Mitglieder anderer Parteien“.

Der Fraktionsvorsitzende der FDP-Fraktion im Hessischen Landtag, Wolfgang Greilich, unterstellte Paulus, nur ausgetreten zu sein, weil ihm klar wurde, daß die Liberalen ihn nicht mehr für die Landtagswahl am 22. September nominieren würden. Paulus nannte die Kritik „eine Unverschämtheit“. Er habe sich erst sehr kurzfristig von einem Bandscheibenvorfall erholt. Gegenüber der JUNGEN FREIHEIT wollte er sich nicht zur Diskussion um seine Person äußern.

Die Debatte kommt für die FDP zur Unzeit. Auf drei bis fünf Prozent taxieren die Demoskopen die Partei in Hessen derzeit. Der Wiedereinzug ins Parlament ist damit alles andere als sicher. Die Empörung der FDP ist auch auf andere, für die Partei sehr schmerzliche Zahlen zurückzuführen. Von den knapp 10.000 AfD-Mitgliedern waren 587 vorher aktive oder ehemalige Mitglieder der Liberalen. Etwa 1.000 kommen von der CDU, 558 von der SPD, 142 von den Piraten und etwa 100 von den Grüne. Für die FDP, die unter einem erheblichen Mitgliederschwund leidet, sind das beunruhigende Nachrichten. 5.994 Personen in Hessen hatten 2012 noch ein FDP-Parteibuch. Sieben Prozent weniger als im Vorjahr. Die AfD hat in dem Bundesland nach eigenen Angaben rund 1.300 Mitglieder.

Der Gründungsparteitag des AfD-Landesverbandes geriet wegen der Debatte um Paulus fast zur Nebensache. Als Sprecher wählten die etwa 450 Mitglieder den ehemaligen Kämmerer der Stadt Frankfurt, Albrecht Glaser, den Banker Eberhard Freiherr von dem Bussche und den Unternehmensberater Walter Schäfer. Listen für die angestrebte Teilnahme zur Bundestagswahl und zur zeitgleich  stattfindenen hessischen Landtagswahl wurden jedoch noch nicht aufgestellt. In Nordrhein-Westfalen ist die Partei damit schon weiter. Dort wählten die Mitglieder am Sonntag Alexander Dilger, Wirtschaftswissenschaftler an der Universität Münster, zum Spitzenkandidaten für die Bundestagswahl.

Im anstehenden Wahlkampf nimmt der Gegenwind für die junge Partei allerdings weiter zu. Nachdem AfD-Chef Bernd Lucke sich wohlwollend über die Forderung des früheren Vorsitzenden der Linkspartei, Oskar Lafontaine, nach einer Rückkehr zu nationalen Währungen geäußert hatte, verschärfte die Partei den Ton gegenüber der AfD. Von einer Annäherung will man im Karl-Liebknecht-Haus nichts wissen. Mit einer „latent rassistischen Rechtspartei“ wolle man nichts zu tun haben.

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