© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  20/13 / 10. Mai 2013

Kriegskinder-Forschung: Warnung vor Relativierung
Traumatisiert über Generationen
(ob)

Seit gut einem Jahrzehnt wird die „Psychogeschichte“ deutscher Kriegskinder der Jahrgänge 1930 bis 1945 interdisziplinär von Medizinern, Psychologen und Zeithistorikern intensiv erforscht. Dabei hat diese Forschung mit Akzeptanzproblemen zu kämpfen, wie sie 2005 auf dem ersten großen Kongreß vor 600 Teilnehmern der Vorsitzende der Frankfurter jüdischen Gemeinde artikulierte, der davor warnte, die „Schuld zu relativieren“ und „Unterschiede einzuebnen“, wenn man sich mit deutschen Kriegsopfern befasse. Auch bei den seit „Jahrzehnten intellektuell tonangebenden ‘68ern’“ gelte das Thema als tabu, da sie das „Tätervolk“ nicht in der Opferrolle sehen möchten, wie Norbert und Adelheid Jachertz die Debatte vor dem Hintergrund des letzten, Ende Februar 2013 in Münster abgehaltenen Kongresses resümieren (Deutsches Ärzteblatt, 14/2013). Ungeachtet solcher Widerstände erfahre die „vergessene Generation“ der Kriegskinder sowie deren Kinder, die „Kriegsenkel“ der Jahrgänge 1950 bis 1975, an die Traumatisierungen „stillschweigend“ weitergegeben worden seien, zunehmend wissenschaftliche Aufmerksamkeit. Vor allem deshalb, weil sich der Leidensdruck erst heute, im Alter, Bahn breche und die unverarbeitete Vergangenheit Ärzte und Psychotherapeuten genauso überfordere wie das Pflegepersonal der Seniorenheime, wo „der Zweite Weltkrieg tobt“. (ob)

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