© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  20/13 / 10. Mai 2013

Der Mann aus Moskau
Vor 50 Jahren wurde Oleg Penkowski als englischer Spion in der Sowjetunion hingerichtet
Jürgen W. Schmidt

Am 14. Mai 1963 endete in Moskau das Leben von Oberst Oleg Penkowski vor einem Erschießungskommando. Er war während des „Kalten Krieges“ der wertvollste Spion, den westliche Geheimdienste in der Sowjetunion gewinnen konnten. Am 23. April 1919 in der Stadt Wladikawkas im Kaukasus geboren, schlug Penkowski eine militärische Karriere in der Roten Armee ein.

Während des Zweiten Weltkriegs befehligte er ein Panzerjägerregiment und wurde mit fünf Orden und acht Tapferkeitsmedaillen ausgezeichnet. Nach dem Krieg übernahm man den ebenso strebsamen wie intelligenten Offizier in den militärischen Nachrichtendienst GRU. Zu diesem Laufbahnwechsel trugen auch seine Kriegskameradschaft mit dem späteren Hauptmarschall der Artillerie Sergej Warenzow und die Heirat mit einer Generalstochter bei. Nach der geheimdienstlichen Ausbildung entsandte man Penkowski 1955/56 als Militärattaché in die Türkei.

Erbost über das Treiben der sowjetischen Nomenklatura

Danach erlitt seine Karriere kurzzeitig einen Knick, als sich herausstellte, daß sein angeblich 1919 verstorbener Vater in Wahrheit als weißgardistischer Offizier gefallen war. Doch der väterliche Freund Marschall Warenzow konnte seinem Schützling erneut den Weg in eine geheimdienstliche Tätigkeit in der sowjetischen Wissenschaftsspionage bahnen. Niemand ahnte, daß Oberst Penkowski sich nach dem Weltkrieg vom gläubigen Kommunisten zum russischen Patrioten gewandelt hatte, der mit Bitterkeit konstatieren mußte, wie das russische Volk darbte, während die „Nomenklatura“ in Saus und Braus lebte.

Aus diesem Grund, nicht etwa aus den ihm in der Gerichtsverhandlung unterstellten finanziellen Motiven, suchte der sowjetische Geheimdienstler 1960 Kontakt zu westlichen Nachrichtendiensten. Auf dem Höhepunkt des Kalten Krieges, während der Kubakrise, erhielt der Westen insgesamt 18 Monate lang in einer riskanten Operation des englischen Geheimdienstes genaue Kunde über den aktuellen Stand der sowjetischen strategischen Raketenrüstung und andere militärische und politische Interna.

Allerdings kam der KGB dem englischen Spion schnell auf die Spur und verhaftete ihn gemeinsam mit seinem englischen Kontaktmann Greville Wynne. Vor Gericht bemühte sich Penkowski, der sein Leben verwirkt wußte, Wynne nach Kräften zu entlasten. Penkowski wurde nur wenige Tage nach dem Prozeß hingerichtet, der sowjetische Geheimdienst GRU personell gnadenlos gesäubert und Hauptmarschall Sergej Warenzow schimpflich aus dem Dienst entlassen und zum Generalmajor degradiert. Greville Wynne dagegen verurteilte man nur zu acht Jahren Straflager und tauschte ihn zwei Jahre später gegen den Sowjetspion Konon Molody aus. Der dankbare Engländer Wynne widmete seinem Freund und Retter Penkowski später sein Buch „Der Mann aus Moskau“.         

Foto: Oleg Penkowski (r.) und Greville Wynne (l.) auf der Anklagebank, Moskau 1963: Genaue Kunde über die sowjetische Raketenrüstung

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