© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  21/13 / 17. Mai 2013

Berliner Budenzauber
Immobilienmarkt: Der Staat reagiert mit hilflosen Instrumenten auf die Mietsteigerungen in Ballungsräumen / Beispiel Berlin
Ronald Gläser

Die jüngste Stilblüte aus dem staatlichen Kampf gegen steigende Mieten ist ein Vorschlag der Pankower SPD: Die Genossen in dem Berliner Innenstadtbezirk fordern in bestimmten Stadtteilen die Schaffung von Parkplätzen ausschließlich für Kleinwagen.

Die Kommunalpolitikerin Rona Tietje will, daß nur noch Autos mit einer Länge von 3,75 Meter in bestimmten Straßen parken dürfen. „Wer dagegen verstößt, würde einen Strafzettel bekommen“, fordert sie. Nur noch Modelle wie Renault Twingo oder Fiat 500 könnten dann in den entsprechenden Straßen abgestellt werden. Selbst für einen VW Golf gäbe es schon eine Strafe. Das Vorhaben könnte demnächst in einem Pilotprojekt münden.

Hinter dieser Diskriminierung von Besitzern größerer Autos steckt mehr als nur der Versuch, das lokale Parkplatzproblem in den Griff zu bekommen. Der Bezirk kämpft mit allen Mitteln gegen steigende Mieten und gegen diejenigen, die bereit und in der Lage sind, steigende Mieten zu bezahlen: Berliner mit sogenannten SUVs und anderen großen Fahrzeugen.

Die durchschnittliche Nettokaltmiete liegt in Berlin bei 7,45 Euro pro Quadratmeter. 2011 waren das noch 6,90 Euro. 2006 gar nur sechs Euro. Kein Zweifel: Die Mieten in der deutschen Hauptstadt steigen rasant. Zwar hat Berlin einigen Nachholbedarf verglichen mit Städten wie Hamburg oder München. Aber diese Erkenntnis ist kein Trost für Berliner Mieter.

Die Politiker sind hilflos. Aber das heißt nicht, daß sie nicht einfallsreich sind: So preschten die Lokalpolitiker in Pankow zum Jahresbeginn schon einmal vor und setzten kurzfristig eine Neuregelung durch, die einem Coup d’État gegen Immobilienbesitzer gleichkommt: In weiten Teilen des Bezirks gilt nun ein Luxusverbot, das helfen soll, den Mietenansteig zu begrenzen. Bauherren ist unter anderem untersagt: das Schaffen von Stellplätzen oder neuen Aufzügen und das Einbauen von Fußbodenheizungen, zusätzlichen Badezimmern, Kaminen und Balkonen. Betroffen sind rund 45.000 Wohnungen.

Diese und andere Maßnahmen ignorieren die wahren Ursachen des Problems: Da ist zunächst einmal der Zustrom nach Berlin. Die Stadt erfreut sich steigender Beliebtheit, nicht nur in Deutschland. Der seit der Wende vorausgesagte und mit dem Berlin-Umzug der Regierung 1999 losgetretene „Berlin-Hype“ führt dazu, daß die Stadt dem demographischen Trend zum Trotz immer mehr Einwohner hat. Bis 2030 wächst sie voraussichtlich um 250.000 auf 3,7 Millionen. Der Zuwachs entspricht der Stadt Braunschweig.

Die Neuberliner alleine würde Berlin noch verkraften. Aber dazu kommt das steigende Interesse der Immobilieninvestoren. Die Euro-Krise wirkt sich direkt auf die Berliner Mieten aus. Wie das? Zum einen fürchten Investoren aus den Südländern, daß sie als Sparer, Investor oder Geldgeber in diesen Staaten enteignet werden. Zu Recht, wie wir seit den Vorgängen in Griechenland und Zypern wissen. Sie retten ihr Vermögen, indem sie es außer Landes schaffen. Was ist da sicherer als eine Eigentumswohnung in Berlin? Letztlich wird Deutschland in der EU als Fels in der Brandung angesehen.

Dazu kommt die Nullzinspolitik der Notenbanken. Das billige Geld für Banken und die Nullkomma-Zinsen bei Staatsanleihen haben Folgen, die so niemand eingeplant hat: Vermeintlich sichere Investments in Staatsanleihen oder auf dem Sparbuch werfen nichts mehr ab. Also überlegen immer mehr Anleger, die diesen Schritt bislang gescheut haben, den Erwerb von Immobilieneigentum. Daher steigen die Preise.

Die Entwicklung auf dem Immobilienmarkt ist der eigentliche Preistreiber hinter den Mieten. Die Investoren wollen Kasse machen. Ein Rechenbeispiel: Vor der Euro-Krise konnten Anleger in Berlin eine Dreizimmer-Wohnung in mittlerer Lage für 100.000 Euro kaufen. Um fünf Prozent Rendite zu erwirtschaften, muß die Kaltmiete gut 400 Euro betragen.

Inzwischen ist der Kaufpreis der Immobilie aber auf 150.000 Euro hochgeschnellt. Also muß der Investor 600 Euro Miete verlangen, wenn er einen fünfprozentigen Zins erwirtschaften will.

Die Politiker ignorieren diese volkswirtschaftlichen Zusammenhänge. Kürzlich haben die Bürgermeister der größten deutschen Städte an den Bund appelliert, er müsse sie bei der Schaffung neuen Wohnraums unterstützen: „Angesichts dramatisch steigender Mieten in den Ballungsräumen muß die Schaffung bezahlbaren Wohnraums absolut Priorität haben.“ Berlins Regierender Bürgermeister und Mitunterzeichner Klaus Wowereit forderte zudem in einem Interview, Investoren auch wegen der neuen Arbeitsplätze „den roten Teppich auszurollen“. Sein Reden und Handeln passen jedoch nicht zusammen. Der Staat spuckt den Immobilienbesitzern ständig in die Suppe. Gerade hat Berlin die seit Mai geltende Gesetzesänderung genutzt, um Mieterhöhungen auf 15 Prozent zu drosseln (statt wie bisher 20 Prozent).

Typisch Berlin: Die linke Hand weiß nicht, was die rechte tut. Beispiel Ferienwohnungen. Sie sind der Landesregierung ein Dorn im Auge. Der zuständige Senator arbeitet an einer sogenannten Zweckentfremdungsverbotsverordnung. In einzelnen Bezirken gibt es sie schon. Zudem hat die Landesregierung im Kampf gegen Kurzzeitvermietungen gerade eine sogenannte City-Tax erfunden, mit der Hoteliers zusätzlich abkassiert werden (JF 19/13). Und nun stellt sich heraus, daß auf der stadteigenen Netzseite berlin.de eben solche Wohnungen vermittelt werden. Politik paradox.

Es wird alles nichts helfen. Indem der Staat versucht, die Preise zu deckeln, hat er eine Interventionspirale ausgelöst, die schwer zu stoppen ist. Als nächstes werden Mieterhöhungen auf zehn Prozent alle drei Jahre beschränkt. Dann erfolgen Zwangsvermietungen für leerstehende Wohnungen oder die Auflage, für jede normal vermietete Wohnung eine zu einem gesetzlich festgelegten Sozialtarif anzubieten. Alles denkbar.

Aber es wird nur einen Effekt haben: Investoren ziehen sich wieder zurück, wandern in lukrativere Branchen ab. Ein steigendes Angebot an attraktiven Wohnungen, das sinkende Mieten zur Folge hätte, wird dadurch verhindert. Die Mieten werden also weiter steigen.

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen