© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  22/13 / 24. Mai 2013

„Eine ganz normale Partei“
Schleswig-Holstein: Das Landesverfassungsgericht muß darüber entscheiden, ob die Partei der dänischen Minderheit von der Fünfprozenthürde befreit bleibt
Hans-Joachim von Leesen

Seit Mai 2012 wird Schleswig-Holstein von einer Koalition aus SPD, Grünen und der Partei der dänischen Minderheit, dem Südschleswigschen Wählerverband (SSW) regiert. Daß sie zusammen die notwendige Mehrheit erreichten, ist allein der Privilegierung des SSW zu verdanken. Die Partei zog mit drei Abgeordneten in den Landtag ein, obgleich sie auf Landesebene mit 4,6 Prozent der abgegebenen Wählerstimmen unter der auch in Schleswig-Holstein geltenden Fünfprozenthürde lag. Doch als Partei einer nationalen Minderheit ist der SSW von dieser Hürde befreit.

Die Zulässigkeit dieser Bevorzugung der Dänenpartei läßt die Junge Union nun gerichtlich überprüfen. Sie reichte beim Landesverfassungsgericht in Schleswig eine Beschwerde ein, im Sommer soll die mündliche Verhandlung darüber geführt werden, bereits im Herbst wird mit einem Urteil der Richter gerechnet.

Bis dahin geht der Streit weiter. Über die Befreiung des SSW von der Fünfprozentklausel hatte der schleswig-holsteinischen Ableger der Konrad-Adenauer-Stiftung, die Hermann-Ehlers-Akademie, jüngst nach Kiel zu einem Streitgespräch zwischen dem Landesvorsitzenden der Jungem Union, Frederik Heinz, einem der Kläger, und dem Vorsitzenden der SSW-Jugendorganisation „Ungdom“, Claas-Frederik Johannsen, einem Danofriesen, die eine kleine Minderheit innerhalb der Friesen bilden, eingeladen.

Etwa fünfzig Personen folgten der Auseinandersetzung der beiden Kontrahenten, unter ihnen etwa ein Dutzend Schüler des dänischen Gymnasiums in Flensburg, der Duborg Skole. Der eher juristisch argumentierende Vorsitzende der Jungen Union führte aus, daß die Bevorzugung der Dänen-Partei gegen die Wahlrechtsfreiheit verstoße und daß der SSW heute keineswegs mehr den Anspruch erfülle, die politische Vertretung einer nationalen Minderheit zu sein, womit die Sonderstellung bei Landtagswahlen bislang begründet wird. In der Praxis sei der SSW vielmehr eine ganz normale Partei, die sich um ganz Schleswig-Holstein kümmere und keineswegs nur um die in einem schmalen Steifen im nördlichen Landesteil lebende dänische Minderheit.

Der Vorsitzende der dänischen Jugendorganisation widersprach heftig und nannte die Junge Union ,,schlechte Verlierer“, weil die CDU durch die Teilnahme des SSW an der Koalition die Macht im Lande verloren habe. Nach Auffassung Johannsens sei der SSW sowohl die Partei der nationalen Minderheit der Dänen im Landesteil Schleswig als auch eine ganz normale Partei, die die Interessen ganz Schleswig-Holsteins vertrete, womit sie auch ein Anrecht auf einen Ministerposten in der Landesregierung habe. Im übrigen bestimme die Minderheit ganz allein, was sie sei.

Der Vorsitzende des CDU-Nachwuchses wies darauf hin, daß seit der Neufassung des Landeswahlgesetzes im Jahre 2000 der SSW auch im südlichen Landesteil Holstein zur Landtagswahl kandidieren könne, seitdem das Zweistimmenwahlrecht mit Landeslisten eingeführt worden sei. Und dort hatten noch nie Dänen gelebt, so daß die seitdem hinzugewonnenen rund 20.000 Stimmen (von den insgesamt etwa 60.000 auf den SSW entfallenen) lediglich Proteststimmen „deutscher“ Wähler waren. Das aber widerspreche dem Anspruch, die Partei einer nationalen Minderheit zu sein.

In der Diskussion forderten denn auch einige Zuhörer – die Veranstaltungen der Hermann-Ehlers-Akademie werden überwiegend von CDU-Anhängern besucht, – die dänische Minderheit müsse endlich ihren dänischen Charakter aufgeben; sich zu einem Volkstum zu bekennen, sei überholt, die Dänen im nördlichsten Bundesland seien genauso Europäer wie die Deutschen. Diese Äußerungen provozierten höhnische, aber auch wütende Zwischenrufe der jungen Dänen. Der Vorsitzende der dänischen Jugendorganisation erklärte, er fühle sich keineswegs als Europäer, sondern ausschließlich als (dänischer) Südschleswiger.

Interessant zu beobachten war das Selbstbewußtsein der jungen Schüler des dänischen Gymnasiums, die zwar die deutsche Staatsbürgerschaft besitzen, sich aber zum dänischen Volkstum bekennen. Daß die deutsche Seite über die Forderungen der dänischen Minderheit beunruhigt sei, so die jungen Dänen, sei verständlich. Eine starke nationale Minderheit führe immer zu Verwirrungen bei der Mehrheitsbevölkerung. Als auf die Zurückhaltung der deutschen Minderheit im südlichen Dänemark verwiesen wurde, antwortete der Vorsitzende der SSW-Jugend, dieser traue er nur noch mittelfristig Überlebenschancen zu.

Die Entscheidung des Landesverfassungsgerichts wird in Kiel mit einiger Spannung erwartet. Wenn die Privilegierung der Minderheit bestätigt wird, bleibt alles beim alten. Schafft das Gericht jedoch die Befreiung des SSW von der Sperrklausel ab und erklärt die SSW-Mandate für unzulässig, dann müßten die Schleswig-Holsteiner erneut zur Wahl gehen.

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