© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  22/13 / 24. Mai 2013

Assads Punktsieg
Syrien: Regierungstruppen erobern strategisch wichtige Stadt Al-Kusair / Russische Waffenlieferungen sorgen für Irritationen
Thorsten Brückner

Die teilweise Rückeroberung der Rebellenhochburg Al-Kusair durch die Truppen von Präsident Assad bestätigt einen Trend, der sich seit mehreren Wochen beobachten läßt: Die syrische Armee macht Boden gut, die Rebellen sind zumindest in den Provinzen Idlib, Homs und Hama sowie in einigen Bezirken von Damaskus auf dem Rückzug.

Gerade die Territorialgewinne in der Provinz Homs, zu der Al-Kusair gehört, könnten den Rebellen mittelfristig das Genick brechen. Al-Kusair stellt den Brückenkopf dar zwischen den von Assads Truppen gehaltenen Alawitenprovinzen Latakia und Tartus am Mittelmeer und der Hauptstadt Damaskus. Gerät die Gegend um Al-Kusair und die südliche Homs-Provinz entlang der libanesischen Grenze in Regierungshände wird es auch für die in der Bekaa-Ebene auf der anderen Seite der Grenze stationierten Hisbollah leichter, Assad zu unterstützen. Wichtige Nachschubwege gehen den Rebellen somit verloren.

Hisbollah und syrische Armee kämpften in der aktuellen Auseinandersetzung erneut Seite an Seite. „Die Armee beschießt Kusair mit Artillerie aus dem Norden und Osten, während Hisbollah Granaten und Raketen vom Süden und Westen abfeuert“, beschrieb ein Rebellenaktivist die Arbeitsteilung. Der Vormarsch der Rebellen auf das Stadtzentrum von Damaskus, der sich noch im November vergangenen Jahres abgezeichnet hatte, ist längst zum Erliegen gekommen. Die Rebellen sind auch hier zunehmend in der Defensive. Sollten die syrischen Truppen weiter Territorium in der Provinz Homs gutmachen, ist auch mit weiteren Vorstößen auf Rebellenzentren in der Hauptstadt zu rechnen.

Alles hängt jetzt vom weiteren Vorgehen der internationalen Staatengemeinschaft ab. Daß die Rebellen bei der Luftüberlegenheit Assads den Präsidenten stürzen können, glaubt inzwischen niemand mehr. Selbst Israel hat eine Neubewertung der Lage vorgenommen. Ein Sturz Assads gilt dort mittlerweile als ausgeschlossen. Im für den Präsidenten schlechtesten Fall rechnet man in Jerusalem mit einer Dreiteilung des Landes, bei der Assad weiterhin die Kontrolle über die Hauptstadt und die Hochburgen der Alawiten behält.

Die Ankündigung Rußlands nun endgültig die seit Jahren vereinbarte Lieferung von S-300-Abwehrraketen an Syrien auszuführen, ist ein strategischer Punktsieg für Assad. Nicht nur wird die Durchsetzung einer möglichen Flugverbotszone dadurch zu einer Illusion. Auch wird es Israel in Zukunft schwerer fallen, Waffenlieferungen an die Hisbollah durch Militäraktionen zu unterbinden.

In Jerusalem fürchtet man vor allem, iranische Fateh-110-Präzisionsraketen sowie nichtkonventionelle Waffen könnten in die Hände der schiitischen Terrororganisation gelangen.

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