© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  22/13 / 24. Mai 2013

Warum die Fleißigen immer ärmer werden
Wirtschaftsliteratur: Ein Buch über den „größten Raubzug der Geschichte“ begeistert die Leser / Unerwarteter Erfolg hält an
Taras Maygutiak

In den Kulturraum des „Kösterle“ im schwäbischen Horb am Neckar passen wohl 70 Leute. Doch viel mehr sind vergangenen Donnerstag gekommen, um den Bestsellerautoren Matthias Weik und Marc Friedrich bei ihrer Buchpräsentation zu lauschen. „Der größte Raubzug der Geschichte – Warum die Fleißigen immer ärmer und die Reichen immer reicher werden“ heißt das Werk, das den beiden 36jährigen Autoren derzeit wie geschnitten Brot aus den Händen gerissen wird.

Die erste Auflage in dem kleinen Marburger Wissenschaftsverlag Tectum umfaßte gerade einmal 500 Exemplare. Es dauerte jedoch nicht allzu lange, da wurde ihr Buch mehr und mehr nachgefragt. Seit einiger Zeit ist es auf Platz 1 der Bestseller-Liste des Manager Magazins, es besetzt den Amazon-Bestseller-Rang 1 für Finanzmarkt und in der Spiegel-Bestsellerliste ist es jetzt ebenfalls aufgeführt. Über den Erfolg sind sie selbst verblüfft. Nie hätten sie geglaubt oder geahnt, daß ihr Buch so einschlagen würde, versichern die Autoren (JF 13/13).

In ihrem Buch gehen sie den Fragen auf den Grund, was Geld überhaupt ist, welche Ursachen die Krise hat, wer wie von der Krise profitiert, und kommen zu dem Schluß, daß das derzeitige System und auch der Euro nach mathematischen Grundsätzen zwangsläufig kollabieren müssen. Dazu haben sie 800 Jahre Geld- und Währungsgeschichte unter die Lupe genommen und insgesamt 900 Quellen im Buch angegeben.

Wer etwas über Finanzen erzählen und seriös sein will, sollte sich in Anzug und Krawatte werfen und dann in geschliffenem Deutsch und eingepaukter Rhetorik seine Kunden überzeugen, das gehört bei Bankern und Finanzdienstleistern zum kleinen Einmaleins. Matthias Weik und Marc Friedrich sind anders: locker und leger, T-Shirt und Jeans und keine Spur von Hochdeutsch. Das können sie bestimmt auch, aber da sie nicht allzuweit von Horb her stammen, wird schwäbisch parliert. Ihr Einstieg wirkt auf das Publikum – die meisten sind mittleren Alters oder ältere Semester – erfrischend. Das ist spürbar.

„Wir sind eine gefährliche Mischung: Schwaben und Ökonomen“, so erntet Marc Friedrich bereits mit dem ersten Satz Sympathien: „Mein Vater hat immer gemeint, der hat nichts Rechtes gelernt – und recht hat er“, schwäbelt er. Die beiden Autoren, die sich bereits aus dem Kindergarten kennen, sind sich einig, daß Betriebswirtschaftslehre tatsächlich „nichts Rechtes“, kein richtiger Beruf ist. Mit Charme und Witz geben sie ihren äußerst kurzweiligen Vortrag zum besten. Zynisch wirkt ihr Humor nicht, der Humor ist aber lediglich Verpackung, denn das Thema ist mehr als harter Stoff. Wie kommen zwei junge Schwaben, die Betriebswirtschaftslehre studiert haben, dazu, ihre gesamte Branche inhaltlich in der Luft zu zerreißen?

Sie seien auch die absoluten Turbokapitalisten gewesen, bekennen beide. Ob sie vor Jahren in Asien, Australien oder Südamerika unterwegs gewesen seien: dabei war immer der Laptop, über den sie mit Aktien zockten, was das Zeug hielt. „Wir haben sehr viel Geld gewonnen und noch viel mehr verloren“, witzelt Marc Friedrich. Dann erzählt er, wie es zu seinem 180-Grad-Sinneswandel gekommen ist. Als im Jahre 2001 in Argentinien das Finanzsystem zusammenbrach, war er gerade dort. Hautnah bekam er die verheerenden Auswirkungen mit.

Seit damals gingen die beiden auf Ursachensuche. Eines der Grundübel sieht Matthias Weik auch in der derzeitigen Euro-Krise: „Schulden mit Schulden zu bezahlen funktioniert auf Dauer einfach nicht, aber das geschieht gerade.“ Eins und eins ergibt immer zwei, auch wenn Berlin und Brüssel sagen, es wären drei, erklärt Marc Friedrich seine Logik. Und weiter: „Geld arbeitet nicht, Menschen arbeiten. Ich habe noch nie Geld Spargel stechen sehen.“

Zwei einschneidende Ereignisse machen die Autoren jedoch als Nährboden für die Jahrhundertkrise verantwortlich: Zuerst die Aufhebung des Gold-Devisen-Standards in den siebziger Jahren des letzten Jahrhunderts und anschließend die Flutung des US-Marktes mit billigem Geld, begünstigt durch niedrige Zinsen, Anfang des 21. Jahrhunderts. Und gibt es denn keine Möglichkeit, das Geldsystem oder die Euro-Währung zu retten, fragt sich manch einer in dem Kulturraum des ehemaligen Franziskanerinnenkloster mit einem mulmigen Gefühl im Bauch. Marc Friedrich kennt diese Fragen von den zahlreichen vorangegangenen Veranstaltungen in ganz Deutschland.

Da gibt er doch gerne die Lebensweisheit seiner 90jährigen schwäbischen Großmutter wieder, die bereits vier Währungen mitgemacht hat: „Geld verreckt immer.“ So hart, wie das klingt, erntet er wieder zustimmende Lacher. Aber dann werden die beiden Autoren doch wieder ganz ernst: Angst sei auf jeden Fall immer ein schlechter Ratgeber. Und was er in Argentinien nach dem Zusammenbruch des Finanzsystems 2002 gesehen habe, sei, daß die allermeisten Menschen in der Krise des Totalzusammenbruchs näher zusammengerückt und solidarisch zueinander waren. „In jeder Krise steckt auch eine Chance“, ist dann auch die Lehre, die sie daraus gezogen hätten.

Weitere Termine der Lesereise zum Buch „Der größte Raubzug der Geschichte“: www.finanzbuch.tectum-verlag.de

Matthias Weik, Marc Friedrich: Der größte Raubzug der Geschichte. Tectum-Verlag, Marburg 2012, broschiert, 381 Seiten, 19,90 Euro

Foto: Erfolgsautoren Friedrich und Weik: Schulden mit Schulden zu bezahlen funktioniert auf Dauer nicht

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