© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  22/13 / 24. Mai 2013

Lockerungsübungen
Schnorrer und Trittbrettfahrer
Karl Heinzen

Wer im europäischen Ausland als Verkehrssünder auffällig wurde, hatte bislang, sofern ihn die Polizei nicht sogleich stellte, immer noch gute Chancen, einer Bestrafung zu entgehen. Das wird sich nun ändern. Die mit der Eintreibung von Bußgeldern befaßten Behörden erhalten in Kürze auf der Grundlage einer vor zwei Jahren verkündeten Brüsseler Richtlinie Zugriff auf das Europäische Fahrzeug- und Führerscheininformationssystem Eucaris, dessen deutschen Anteil das Kraftfahrt-Bundesamt beisteuert.

Allerdings ist dies nur bei einigen wenigen Delikten wie Tempoüberschreitung, Mißachtung einer roten Ampel, Handynutzung am Steuer oder Fahren im alkoholisierten Zustand möglich. Falschparken, sicherlich der unbestrittene Spitzenreiter unter den Verstößen gegen die Verkehrsregeln, gehört nicht zu ihnen.

Die Aussichten, daß der beträchtliche bürokratische Aufwand dem Recht zum Sieg verhelfen könnte, sind jedoch gering. Den Delinquenten bleiben genug Möglichkeiten des Widerspruchs, um das Verfahren letztlich versanden zu lassen. In zahlreichen Fällen werden sie ihren Hals durch die bloße Behauptung retten können, gar nicht am Steuer gesessen zu haben. Die Drohung, daß man dann damit rechnen muß, bei einer neuerlichen Einreise in das jeweilige Land belangt zu werden, ist kaum glaubwürdig. Das Schengener Abkommen schützt viel weniger die grenzüberschreitende organisierte Kriminalität als die große Zahl von Autofahrern, die meinen, im Ausland hemmungslos den Verkehrsrowdy spielen zu dürfen.

Auch hieraus läßt sich ablesen, daß die Bürger zwar sehr gerne als Trittbrettfahrer und Schnorrer von Europa profitieren, aber nicht bereit sind, für dieses Pflichten zu übernehmen und Opfer zu erbringen. Die nationalen Regierungen stoßen heute schon weitgehend auf taube Ohren, wenn sie bloß an den Gemeinsinn im engen Rahmen des eigenen Staates appellieren. Den Menschen gar ein Verantwortungsgefühl für ganz Europa abverlangen zu wollen, ist von vornherein vergebliche Liebesmüh. Das Gemeinwohl können die politischen Eliten nur gegen den Willen der Bevölkerungen durchsetzen. Daher ist es auch widersinnig, die Bürger für die europäische Idee begeistern zu wollen. Es wäre sogar unappetitlich, wenn sie unter Menschen, die nur auf ihren materiellen Vorteil aus sind, populär würde.

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