© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  22/13 / 24. Mai 2013

Der Heiland wird zum Herrscher
Die „Konstantinische Wende“: Vor 1.700 Jahren legalisieren und emanzipieren Roms Kaiser Konstantin und Licinius das Christentum
Klaus Bruske

Nachdem wir, sowohl ich Licinius Augustus, als auch ich Constantinus Augustus, glücklich zu Mediolanum uns eingefunden hatten und alle Angelegenheiten der öffentlichen Wohlfahrt und Sicherheit in Beratung nahmen, so glaubten wir unter den übrigen Anordnungen, von denen wir uns Nutzen für die Gesamtheit versprachen, vor allem die Dinge ordnen zu müssen, auf denen die Verehrung der Gottheit beruht, und zwar in der Art, daß wir sowohl den Christen wie auch allen übrigen freie Befugnis gewährten, der Religion sich anzuschließen, die jeder sich wählen würde.“

Vor 1.700 Jahren, am 13. Juni im Jahre 313 n. Chr., läßt Roms Kaiser (Titular: Imperator Caesar Augustus) der östlichen Reichshälfte Valerius Licinianus Licinius in Nikomedia in Kleinasien eine Verlautbarung anschlagen. Das Plakat berichtet von einem Spitzentreffen über die künftige Reichs- und Religionspolitik: So soll jetzt der Zwang zur Anbetung der Gott-Kaiser abgeschafft werden. Diese Vereinbarung ist in der Geschichtsschreibung unter drei Schlagworten bekannt: „Mailänder Vereinbarung“ oder auch „Konstantinische Wende“; die Bezeichnung „Mailänder Toleranzedikt“ dagegen dürfte als überholt gelten, denn ein reichsweit geltendes Edikt hat es nicht gegeben.

Ein genauer Zeitpunkt dieser Entscheidung ist nicht überliefert. Etwa Ende Februar bis Ende März 313 treffen sich Licinius und sein Mitkaiser für die westliche Reichshälfte Flavius Valerius Constantinus in Mediolanum, dem heutigen Mailand. Ihre damals vereinbarte Festlegung entfaltet eine ungeheure Eigendynamik. Die Kaiser bringen mit ihrer Verabredung eine der wenigen wirklichen Weichenstellungen der Weltgeschichte auf den Weg.

Das Christentum, lange und blutig verfolgt, wird legalisiert und dem Worte nach allen anderen Religionen im Reich gleichgestellt. Der Wirkung nach gewinnt es hingegen bald die Dominanz über die tradierte antike Götterwelt. Es erhebt sich schließlich zur alleinigen Staatsreligion (Edikt von 380), unter Kaiser Theodosius I. im Jahr 392 n. Chr. wird das Reich bereits als „Imperium Romanum Christianum“ genannt. Die „Mailänder Vereinbarung“ von 313 markiert gleichzeitig eine ideologische Wende. Der fortan staatstragende und die Gesellschaft stabilisierende Kultus vom Leben, Leiden und der österlichen Auferstehung „unseres Herrn Jesu Christi“, vom Gottesgnadentum der Kaiser wird die mit den später getauften germanischen Stammeskönigen im Begriff des „Christlichen Abendlandes“ münden.

Die „Konstantinische Wende“ ist eine Reaktion auf den Scherbenhaufen, den der im Mai 305 abgedankte Imperator Caesar Augustus Diocletianus, hinterlassen hat. Diokletian gilt als der letzte, der konsequenteste und der grausamste Christenverfolger aller römischen Cäsaren. Er setzt ab dem Jahre 303 nochmals alles auf eine Karte, um den „Reichsfeind“ auszumerzen. Diese letzte große Verfolgung – in der koptischen Überlieferung setzt der Kalender mit dem Kaisertum Diokletians von 285 als „Märtyrer-Ära“ ein – dauert bis ins Jahr 311 an und wird vor allem im östlichen Reich blutig vorangetrieben, ohne das Christentum in seiner regionalen Verwurzelung nachhaltig zu erschüttern Immerhin prägten mehreren dutzend Märtyrer dieser diokletianische Verfolgung bis in die heutigen Tage die christliche Überlieferung – darunter die Heiligen Sebastian (285 im römischen Circus erschlagen), Georg (303 in Kleinasien zu Tode gefoltert), Chrysanthus (um 304 bei Rom lebendig begraben), oder Veit (304 in Kalabrien in siedendem Öl gekocht).

Es existieren keine soliden Zahlen, wie viele Christen so mit dem Leben bezahlen mußten. Von den geschätzten 50 Millionen Einwohnern des Römischen Reiches Ende des dritten Jahrhunderts, ein Großteil davon in der Osthälfte, dürften bereits mehrere Millionen Christen gewesen sein. Setzt man den Stellenwert an, den die Christenverfolgung in der schriftlichen Überlieferung hat, dürfte die Opferzahl aber zwischen Kaiser Decian (249) und 312 im mindestens fünfstelligen Bereich liegen.

Die Schwierigkeit des Christentums, sich in der Lebens- und Glaubenswelt der Spätantike zu etablieren, beruhte dabei auf dem ersten der Zehn Gebote: „Ich bin der Herr dein Gott, du sollst keine anderen Götter haben neben mir!“ Dieses Gebot bewußt zu mißachten, bedeutet Todsünde, den Verlust der Seligkeit und die ewige Verdammnis. Der von der Obrigkeit bis dahin geforderte Götterkult (sacra publica) schrieb die Anbetung von Staatsgöttern wie etwa Iupiter Capitolinus vor. Vor allem aber die religiöse Verehrung des amtierenden Kaisers, der sich jetzt „Gott Caesar Augustus, Vater des Vaterlandes – Deus Caesar Augustus pater patriae“ nennt, bedeutete eine Unvereinbarkeit im Glauben. Der Kölner Kirchenhistoriker Manfred Clauss hat diesen Umstand griffig formuliert: „Der Kaiserkult stellte ein einigendes Band für das gesamte Reich dar, da überall die gleiche Gottheit verehrt wurde, trotz der daneben bestehenden ungeheuren Vielfalt lokaler Gottheiten.“

Kaiser Konstantin, der laut Sage 312 nach der siegreichen Schlacht gegen die Übermacht seines Rivalen Maxentius an der Milvischen Brücke (östlich von Rom am Tiber) sein christliches Erweckungserlebnis gehabt haben soll, hat sich laut Althistorikern wie Jochen Bleicken oder Klaus Rosen wohl erst allmählich vom Sonnengott Sol Invictus gelöst und zum christlichen Gott bekannt. Darauf deutet zumindest auch der nach dem Sieg 315 gebaute Konstantinsbogen an der römischen Via Triumphalis hin, an dem der Sonnengott neben der Siegesgöttin Victoria prangt. 324 bootet er schließlich seinen Rivalen Licinius aus und erhebt sich zum Alleinherrscher im Reich. Im Jahr 330 baut er die kleine Stadt Byzantion am Bosporus zu seiner neuen östlich-christlichen Hauptstadt Konstantinopel aus.

Obwohl er zahlreiche Kirchen, etwa die Lateranbasilika in Rom, die Geburtskirche in Bethlehem oder die Grabeskirche in Jerusalem stiftet und auch die Stellung der christlichen Bischöfe stärkt, setzt erst sein christlich erzogener Sohn Constantius II. die weitere Christianisierung im Römischen Reich durch. Das Kreuzsymbol wurde unter seiner Regentschaft auf Münzen geprägt und wurde zum Hoheitszeichen auf den Standarten des römischen Heeres. Plötzlich als „heidnisch“ geltende Tempel in den Städten des Reiches wurden gestürmt, zeitweilig wurden gar altrömische Riten unter Constantius II. verboten.

 

Christentum als Reichskirche

Der Durchbruch des Christentums wäre ohne die bis dahin geltende Verbindung der römischen Herrschaft als geistliche Autorität nicht denkbar gewesen. Bereits vor Christi Geburt übte das römische Staatsoberhaupt in Personalunion auch das höchste Priesteramt aus. Roms Kaiser beanspruchten daher als Mittler zur Götterwelt die religiöse Anbetung. Insbesondere die Weigerung der frühen Christen, diese geistliche Verehrung des römischen Staatsoberhauptes zu vollziehen, setzte sie blutiger Verfolgung aus.

Die Wende kam mit Konstantin I., der diese Politik nicht weiterverfolgte. Spätestens mit dem Dreikaiser- edikt von 380 n. Chr., das den römisch-alexandrinischen Glauben der Christen zur offiziellen Staatsreligion erklärte, konnte die weltliche Autorität Roms das Christentum als faktische Reichskirche maßgeblich befördern. Die Kaiser erkannten darin jetzt ein Mittel gegen die weitere Zersplitterung des Römische Reiches. Das führte im Edikt von 391 sogar zum Verbot früherer altrömischer (heidnischer) Kulte. (bä)

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