© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  23/13 / 31. Mai 2013

Brisante Pläne für den Tag danach
Katalonien: Trotz heftigen Gegenwinds aus Madrid hält Barcelona an seinen Abspaltungsplänen fest / Expertengruppe hat Arbeit aufgenommen
Michael Ludwig

Niemand soll sich etwas vormachen – was auch immer sie in Madrid unternehmen, wir werden an unseren Plänen festhalten.“ Mit diesen Worten bekräftigte Regierungschef Artur Mas die Bestrebungen Kataloniens, sich vom spanischen Mutterland abzuspalten und einen unabhängigen Staat zu gründen. Seinen Worten ließ er sogleich Taten folgen – er setzte eine Kommission ein, die den Weg zur Sezession ebnen und die Bevölkerung auf den „Tag danach“ vorbereiten soll.

Die Expertengruppe („Consejo de Transición Nacional“) ist in diesen Tagen zum erstenmal zusammengetroffen. Auf ihrer Agenda stehen die Vorbereitungen für die im nächsten Jahr  geplante Volksbefragung zur Unabhängigkeit sowie die daraus folgenden wirtschaftlichen, administrativen und juristischen Probleme. Aber nicht nur das. Barcelona strebt auch an, sich gegen einen äußeren Feind verteidigen zu können, plant also den Aufbau eigener Streitkräfte. Ein Unterfangen, das in Madrid ratloses Kopfschütteln hervorruft.

Trotz der erheblichen Schwierigkeiten, mit denen der Weg zur Unabhängigkeit gepflastert ist, will die katalanische Regierung ihn bis zu Ende gehen. Viele Katalanen sind davon überzeugt, daß es ihnen ohne Madrid besser ginge, vor allem wirtschaftlich. Immer wieder ist die Rede davon, daß viele Millionen Euro, die in der Industrieregion rund um Barcelona verdient werden, über den innerspanischen Finanzausgleich in den armen Süden des Landes umgeleitet werden und dort ergebnislos versickern.

Aber es gibt auch kritische Stimmen. Nach Angaben von Wirtschaftswissenschaftlern würden sich etwa 1.300 größere Unternehmen einen neuen Standort suchen, weil sie es sich nicht leisten können, vom spanischen Markt abgetrennt zu werden und auf ihre Exporte Zölle zahlen zu müssen, die ihre Waren erheblich verteuern. Dies würde zu einem Verlust von etwa 136.000 Arbeitsplätzen führen.

Die größte spanische Buchverlagsgruppe hat bereits angekündigt, im Falle einer Sezession ihren Firmensitz zu verlegen. Internationale Investmentbanken wie JP Morgen und UBS warnen vor „potentiell desaströsen“ Folgen, sollte Barcelona seine Zukunft ohne Madrid bestreiten wollen. Hinzu kommt, daß das hochverschuldete Katalonien finanziell chronisch klamm ist. Im August letzten Jahres überwies die spanische Hauptstadt fünf Milliarden Euro, damit der Erzrivale seinen Verbindlichkeiten nachkommen konnte.

Ökonomen haben ausgerechnet, daß Kataloniens Bruttoinlandsprodukt um neun Prozent sinken würde, selbst wenn es weiter Mitglied der Europäischen Union bleiben dürfte. Dies ist aber so gut wie ausgeschlossen. Die Kommission in Brüssel hat es bereits abgelehnt, Katalonien als eigenen Staat in die EU aufzunehmen. Auch Madrid dürfte kaum dazu bereit sein, sein Plazet zu geben.

Unter den Katalanen selbst ist die Unabhängigkeit umstritten. Rund die Hälfte, so ergeben seriöse Umfragen, will einen eigenen Staat, die andere Hälfte lehnt ihn ab. Wie aber soll ein Gemeinwesen gedeihlich funktionieren, wenn 50 Prozent seiner Bürger ihm ablehnend gegenüberstehen? Die großen Oppositionsparteien – die Sozialisten, die konservative PP und die gemäßigte katalanische Bewegung Ciutadans – haben den bürgerlich-nationalistischen Regierungschef Mas aufgefordert, den Spuk endlich zu beenden und die Kommission für die Vorbereitung der Unabhängigkeit aufzulösen.

Die konservative Zentralregierung in Madrid verhält sich vorerst still. Ministerpräsident Mariano Rajoy will erst dann eingreifen, wenn das genaue Datum für das Referendum zur Unabhängigkeit feststeht. Dann plant er den Gang zum Verfassungsgericht, das schon einmal eine ähnliche Unabhängigkeitsbestrebung abgeschmettert hat – 2008 nannte es die Pläne der Basken, einen eigenen Staat zu gründen, „verfassungswidrig und nichtig“.

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