© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  23/13 / 31. Mai 2013

CD: Appassionata
Sonaten aus Skandinavien
Sebastian Hennig

Mit vernehmbarer Leidenschaft bringt das Duo Appassionata drei Sonaten der skandinavischen Komponisten Christian Sinding, Niels W. Gade und E. Hagerup Grieg zu Gehör. Die Violinistin Isabel Steinbach und der Pianist Pervez Mody klingen dabei wie ein Doppelinstrument, dem zwei Klangfarben entströmen. Die organische Lebendigkeit ihres Zusammenspiels entspricht dem spätromantischen Ausdruck der Sonaten. Alle drei Tonsetzer unterstanden der künstlerischen Hegemonie der deutsch-österreichischen Musikkultur. Das Leipziger Musikleben, mit Konservatorium und Gewandhausorchester, war ihre Studien- beziehungsweise Wirkungsstätte.

Weniger bekannt bei uns ist der Norweger Christian August Sinding, 1856 als Sohn eines Bergbauingenieurs bei Christiana, dem späteren Oslo, geboren. Vom Lehrling in der Klavierbaufirma qualifizierte er sich nebenbei so weit, daß er als Student am Leipziger Konservatorium Aufnahme fand. Später wurde er Orchestermusiker unter Edvard Griegs Leitung. Seine Sonate op. 73 ist feurig beschwingt und von breiter Bewegtheit, klassisch im Formgefüge und romantisch im Ausdruck. Aus seiner norwegischen Heimat zog es ihn winters in den Süden, nach Deutschland. Seine Sympathien für dieses Land sollten ihm in der Heimat später manche verübeln. Sinding starb 1941 in Oslo, so blieb ihm Hamsuns Schicksal erspart.

Während sich die norwegische Musik erst im Zusammenhang mit der nationalen Unabhängigkeitsbewegung zu einem kraftvollen eigenständigen Ausdruck verdichtete, war das Königreich Dänemark schon früh ein bestimmendes Kulturzentrum in Europas Norden. So zog es bereits Caspar David Friedrich von der Kunstakademie nach Kopenhagen. Später wurde Niels Wilhelm Gade als ein Frühbegabter mit 17 Jahren Aspirant in der Königlichen Kapelle und spielte die große Orgel am Dom. Ihm war die deutsche Frühromantik Leitbild, während die dänische Volksmusik ihm Anregung bot.

Für eine Saison leitete er das Leipziger Gewandhausorchester als Nachfolger Mendelssohns. Als dessen Sachwalter im skandinavischen Musikleben verstand sich Gade, was den Widerspruch einer jüngeren Generation herausforderte. Die sehnsüchtigen Harmonien des ätherischen Elfenzaubers und der Ossians-Gesänge sprengte Edvard Grieg dann mit einem ungehobelten nordischen Ton. Auch seine Sonate in c-Moll wirkt vergleichsweise undiszipliniert und angefüllt mit originellen Einfällen und Stimmungsreizen. So klingt Aufbruch ohne Ankunft.

Gades Musik bezeichnet dagegen einen Abschluß. Während seine Robert Schumann gewidmete 2. Violinsonate der Firma Breitkopf & Härtel wegen ihrer spieltechnischen Schwierigkeiten keinen hohen Umsatz bescherte, verkaufte der Verlag Peters von Griegs 3. Sonate innerhalb eines Jahrs 1.500 Exemplare. Dieser Erfolg wurde wohl nicht zuletzt bewirkt durch die umjubelte Uraufführung im Leipziger Gewandhaus, mit dem Komponisten am Klavier und dem russischen Geiger Adolph Brodsky.

Die Romanze des Mittelsatzes gehört zu seinen erlesensten Erfindungen. Der Schlußsatz ist heftig und impulsiv. Er feiert sich selbst in seiner virtuosen Kraft, ohne zu einer regelrechten Durchführung zu gelangen.

Duo Appassionata, Skandinavische Romantik Antes (Bella Musica), 2013  www.bella-musica-edition.de

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