© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  24/13 / 07. Juni 2013

Pressefreiheit
Auf Kritik folgt Strafe
Martin Graf

Regelmäßig kritisieren westliche Politiker den Umgang totalitärer Staaten mit den Medien. Dabei geraten auch tadellose Demokratien wie Ungarn ins Kreuzfeuer. Aber selbst klopft man sich gerne auf die Schulter, wie wichtig einem die Pressefreiheit im eigenen Land sei und wie entschlossen man sie gegen alle Angriffe verteidige.

Österreichs Nationalratspräsidentin Barbara Prammer (SPÖ) hat in den letzten Tagen gezeigt, wie dieser Einsatz für eine freie Presse aussieht. Sie hat die Parlamentsdirektion beauftragt, Anzeige zu erstatten, weil in den Kommentarspalten der Internetzeitung Unzensuriert.at ein anonymer Leser aggressiven Schwachsinn hinterlassen hat.

Obwohl zum Zeitpunkt dieser Anzeige bereits bekannt war, daß dieses Posting sofort nach Kenntnis durch die Redaktion entfernt worden war, ließ die Sozialistin Prammer es sich nicht nehmen, die Journalisten öffentlich vorzuführen – ganz sicher deshalb, weil ich selbst dort hin und wieder einen Kommentar schreibe, Bürger auf die Seite hinweise und dieses Medienprojekt vor einigen Jahren initiiert habe.

Prammer versucht, ein ihr und den Regierungsparteien kritisch gegenüberstehendes Medium mundtot zu machen. Wer schreibt schon unbeschwert weiter, wenn parallel Ermittlungen laufen, die bis zu zwei Jahre Gefängnis nach sich ziehen können? Besonders kurios: Prammer informierte alle 183 Abgeordneten über ihre Aktivitäten gegen Unzensuriert.at – und beantwortete in dieser Mail auch öffentlich eine Rechercheanfrage der Internetzeitung zu Parlamentarierreisen nach China. Deutlicher kann man nicht mehr ausdrücken, daß es sich um eine Strafaktion gegen kritische Journalisten handelt. Für das Parlament eines demokratischen Staates ist das eine Schande.

Schockierend ist, wie wohlwollend die anderen Medien die Aktion Prammers aufnehmen. Wenn die Präsidentin des höchsten demokratischen Gremiums im Land Initiativen setzt, die dazu führen könnten, daß Online-Medien ohne weiteres für Aussagen von Lesern haftbar gemacht werden, müßte jeder Herausgeber entrüstet protestieren. Oder hoffen die anderen auf eine Zwei-Klassen-Justiz, die – ganz wie die Parlamentspräsidentin – zwischen regierungstreuen und regierungskritischen Medien unterscheidet?

 

Dr. Martin Graf ist FPÖ-Politiker und seit 2008 Dritter Präsident des österreichischen Nationalrats.

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