© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  24/13 / 07. Juni 2013

„Immigration ist eine Bereicherung“
Italien: Während das Land die illegale Zuwanderung nicht zu stemmen vermag, setzt Integrationsministerin Kyenge auf vermehrte Rechte für Migranten
Paola Bernardi

Ich bin nicht farbig, ich bin schwarz. Und es ist wichtig, ich bin stolz darauf“, erklärte Italiens erste schwarze Ministerin für Integration, Cécile Kyenge, 48 Jahre alt, in ihrer ersten Pressekonferenz. Die Augenärztin aus dem Kongo kam 1983 zum Studium nach Rom. Bislang war die zweifache Mutter in der Lokalpolitik in ihrer Heimatgemeinde nahe Modena aktiv. Zuletzt war die Politikerin der linken Partito Democratico (PD) in der Emilia-Romagna für die Integrationspolitik verantwortlich.

Seit langem engagiert sich Kyenge für die Stärkung der Rechte der Migranten und will nun via Gesetz erreichen, daß in Italien geborene Kinder automatisch die italienische Staatsangehörigkeit erhalten.

Noch liegt das neue Integrationsgesetz nicht vor, doch der politische Streit um Einwanderung und Integration ist entfacht. Besondere – negative – Dynamik erhielt der Vorstoß Kyenges vor dem Hintergrund der Bluttat des Ghanesen Mada Kabobo. Der 31jährige hatte Mitte Mai in einem Vorort von Mailand ohne erkennbaren Grund mit einer Spitzhacke und Eisenstange ein Blutbad angerichtet. Drei zufällig vorbeikommende Passanten starben, zwei Opfer liegen noch im Krankenhaus.

Kabobos Werdegang steht exemplarisch für die Einwanderungsproblematik in Italien. Im Juli 2011 illegal eingereist, beantragte er politisches Asyl, erhielt jedoch nach genauer Prüfung nur eine befristete Aufenthaltserlaubnis. Kabobo wurde ins Aufnahmezentrum für Asylanten nach Bari gebracht. Von dort flüchtete er. Nach seiner Festnahme und in Anbetracht verschiedener Delikte (Diebstahl, Körperverletzung) wurde er verhaftet. Im Februar 2012 wurde er entlassen und lebt seitdem in der Illegalität.

Italien ist für illegale Einwanderer noch immer das „Land der Verheißung“ und bleibt mit seiner 7.500 Kilometer langen Küste dem Ruf, „Tor nach Europa“ zu sein, treu. Nach dem „Arabischen Frühling“ drängen immer neue arabische und afrikanische Immigranten via Libyen ins Land. Allein im Jahr 2011 waren es – 75.000 – registrierte Flüchtlinge.

Seitdem sind die 15 Aufnahmelager im Land hoffnungslos überfüllt. Von den europäischen Partnern fühlt man sich alleingelassen. Seit Jahren pocht Italien – unterstützt von Griechenland und Spanien – auf eine gerechtere Verteilung der illegalen Zuwanderer aus Afrika innerhalb der Europäischen Union.

Für die meisten Flüchtlinge, falls sie überhaupt das Land erreichen, lautet allerdings das Ziel nicht Italien. Einige nutzen das Übergangsgeld in Höhe von 500 Euro sowie die Ausstellung von Aufenthaltspapieren nicht für den Kauf von Lebensmitteln und die Rückkehr in die Heimat, sondern reisen nach Deutschland, wie der Fall der 300 in Hamburg gestrandeten Afrikaner zeigt.

Italiens Innenministerium verneint den Vorwurf, die Illegalen aus Togo und Ghana zur Ausreise ermuntert zu haben. Die Aufenthaltspapiere, die das Reisen im Schengen-Raum für drei Monate gestatten, seien in Absprache mit Berlin ausgegeben worden. Zudem entsprächen sie dem EU-Recht. Dennoch sicherte man zu, die Afrikaner wieder zurückzunehmen.

Rom steht in der Ausländerpolitik vor einem Scherbenhaufen. Doch Kyenge zeigt sich kämpferisch. „Wir müssen das Trennende einreißen“, erklärt die Ministerin. Zudem sei die Immigration „eine Bereicherung“ und „Unterschiede eine Ressource“.

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