© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  24/13 / 07. Juni 2013

Ein Bild des Schreckens
Anlegerschutz: Ein Buch über die heimliche Enteignung durch Finanzindustrie und Politik / Schon Kaufkrafterhalt schwierig
Jörg Fischer

Bis vor fünf Jahren war es leicht, Millionen Deutschen Lebens- und Rentenversicherungen zur Altersvorsorge aufzuschwatzen. Es reichten ein paar hämische Bemerkungen über Norbert Blüms „Die Rente ist sicher“-Versprechen und das Ausmalen von Altersarmut durch diverse Rentenreformen. Flossen dann noch steigende Börsenkurse und die staatliche Förderung oder eine Steuer­ersparnis ins Verkaufsgespräch ein, war die Vertragsunterschrift meist sicher.

Doch die der Lehman-Pleite 2008 folgende Weltfinanz- und die 2010 offenbar gewordene Euro-Krise entlarvten die Gewißheiten der Finanzindustrie und der ihr hörigen Politik als Ammenmärchen. Seit 2011 ist es sogar so weit gekommen, daß die künstlich niedrigen Zinsen die Realrendite (Differenz zwischen Umlaufrendite und Inflationsrate) für Sparer ins Negative drücken. Der ohnehin fragwürdige Garantiezins bei Neuverträgen der privaten Assekuranzen ist von vier auf 1,75 Prozent gefallen.

Der frühere Sozialrichter Herbert Rische schlägt schon ernsthaft – wie in der DDR bis 1990 möglich – freiwillige Zusatzbeiträge in der Gesetzlichen Rentenversicherung (GRV) vor: „Ich kann mir ein Modell vorstellen, nach dem die Menschen zusätzlich zu ihrer gesetzlichen Rente, über freiwillige Zahlungen weitere Ansprüche bei der Rentenversicherung erwerben“, so der langjährige Chef des größten öffentlichen Rentenversicherungsträgers DRV in der Rheinischen Post. „Von Versicherten haben wir oft solche Nachfragen. Wir sollten hier die Türen öffnen“, meinte Rische.

Kritische Beobachter der Finanzmärkte warnen seit Jahren vor der unheiligen Allianz aus zügelloser staatlicher Geldpolitik und völlig entfesselten Finanzmärkten. „Unser Geld ist so unzuverlässig geworden, daß kein Mensch, der seine fünf Sinne beisammen hat, seine Altersvorsorge auf Geldvermögen bauen würde“, brachte es der Ökonom Wolfram Engels schon vor der Euro-Einführung auf den Punkt.

Einer Bestandsaufnahme des Geldsystems widmet sich auch der erste Teil des Buches von Michael Rasch und Michael Ferber über „Die heimliche Enteignung“ der Bürger durch Finanzindustrie und Politik. Die beiden Wirtschaftsredakteure der Neuen Zürcher Zeitung zeichnen dabei ein „Bild des Schreckens“ (so eine treffende Kapitelüberschrift): Wenn die Zinsen weiter so niedrig blieben, gefährdet das die private Altersvorsorge von Millionen Menschen. Sie warnen, daß der „Verrat an den Sparern“ weitergehen könnte. Angesichts der hohen staatlichen und der noch höheren privaten und Unternehmensverschuldung drohe eine „unheilvolle Zukunft – die dauerhafte finanzielle Repression“, also die staatlich orchestrierte Umverteilung von Sparern zu Schuldnern.

Und was können Sparer angesichts der globalen Überschuldung tun? Diese Frage beantwortet der zweite Teil des Buches – jeweils für fünf von den Autoren für möglich gehaltene Szenarien. Die ersten vier (Deflation, Inflation, Stagflation und Hyperinflation) waren im 20. Jahrhundert bereits bittere Wirklichkeit. Derzeit scheint Szenario fünf realistisch: das „Durchwursteln“, wie Rasch und Ferber es nennen. Gemeint ist eine fortgesetzte Gratwanderung zwischen Inflation und Deflation – weitere Marktmanipulationen der Zentralbanken und zunehmende finanzielle Repression inklusive. Daher sei schon der bloße Kaufkrafterhalt des Ersparten eine große Herausforderung. Und außer beim Deflationsszenario sollte physisches Gold Teil jeder Anlagestrategie sein.

Michael Rasch, Michael Ferber: Die heimliche Enteignung. Finanzbuch Verlag, München 2012, gebunden, 300 Seiten, 24,99 Euro

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