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© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co. www.jungefreiheit.de 24/13 / 07. Juni 2013
Horror der alten Schule Ein Mystery-Thriller ist in gewissem Sinne die Visualisierung von potenzierten Ängsten. Er schließt Alltagsängste wie Verfolgung, Bedrohung, Identitätsverlust und Liebesentzug mit Bildern kurz, die in unseren Alpträumen aufscheinen, die sich aus moralischen und erotischen Widersprüchen als Strafe oder Warnung entwickeln. Die Wirkung des Mystery-Thrillers liegt daher auch nicht wie beim Melodram darin, daß er eine Liebesgeschichte mit tragischem Ausgang erzählt, sondern daß die wildgewordenen, entfesselten Mythen gegen alle Ordnungsfaktoren der Moral obsiegen. So schafft er eine psychologische Spannung, die in diametralem Gegensatz zu den blutig-bunten Horrorfilm-Comics mit ihren übertriebenen Splatterszenen steht. England, 1921. Wenige Jahre nach dem Ende des Ersten Weltkriegs wird das Land von Verlust und Trauer erschüttert. Okkultismus und Spiritismus, die auf der Insel schon immer weit verbreitet waren, haben jetzt regelrecht Hochkonjunktur. Viele Menschen suchen Trost, indem sie durch ein Medium mit einem gefallenen Angehörigen Kontakt aufnehmen. Die Schriftstellerin Florence Cath-cart (Rebecca Hall), eine gestandene Darwinistin und Atheistin, hat es sich zur Aufgabe gemacht, Betrügereien von Scharlatanen aufzudecken und außernatürliche und übersinnliche Phänomene als Humbug zu entlarven. Getarnt als interessierter Gast läßt sie Séancen auffliegen und gibt sie der Lächerlichkeit preis. Als Robert Malory (Dominic West), ein Lehrer am renommierten Rockwood-Internat für Jungen in Nordengland, sie bittet, den mysteriösen Tod eines Schülers aufzuklären, der angeblich mit einer Geistererscheinung zusammenhängen soll, lehnt sie den Auftrag zunächst ab. Doch Malory gelingt es, sie umzustimmen, und sie begleitet ihn ins Internat. Von der Hausdame Mrs. Hill (Imelda Staunton) darin bestärkt, daß auch diese Phänomene nur ein riesiger Bluff sind, beginnt Florence mit ihren Untersuchungen, die schon nach kurzer Zeit höchst seltsame Dinge zutage bringen und sie selbst fast das Leben kosten … Nick Murphys Mystery-Thriller „The Awakening – Geister der Vergangenheit“ steht in der Tradition von Klassikern wie „Schloß des Schreckens“ und modernen Gruslern wie „The Sixth Sense“ und „The Others“. Atmosphärisch und dramaturgisch dicht, zeigt Murphy, wie die Neugier der Heldin den Horror und die Geister ins Leben bringt und diese langsam, aber mit steigender Kraft Gewalt über sie gewinnen. Dabei begnügt sich der klug inszenierte Film in dankenswerter Weise damit, die Geister als Schatten anzudeuten und den Horror über eine langsame Steigerung der Handlungsführung zu realisieren. Britischer Horror der alten Schule, der durch seine Subtilität überzeugt. DVD: The Awakening. Universum Film, München 2013, Laufzeit etwa 103 Minuten |