© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  24/13 / 07. Juni 2013

Nur bei den Schurken rasseln die Ketten und dröhnen die Motoren
Dieter Hanel gibt einen Überblick über die weltweite Panzerrüstung: Die Nato-Staaten haben ihre Bestände an Kampfpanzern kontinuierlich gesenkt
Georg Thiele

Seit 1990 haben sich weltweit das sicherheitspolitische Umfeld, die Streitkräfte, deren Waffen und die Rüstungsindustrie verändert. Der Autor Dieter Hanel hat in seiner Arbeit eine interessante Momentaufnahme über die weltweite Sicherheitslage vorgelegt.

Das betrifft nicht nur die Streitkräfte und deren Bewaffnung, sondern auch die Rüstungsindustrie. Damit gewinnt der Leser sogleich einen Einblick in Teile der Wirtschaft und Finanzen der angeführten Staaten. Man erfährt im Detail, wie weit in Europa abgerüstet worden ist und insbesondere die westeuropäischen Nato-Staaten sich in rasantem Tempo von Kampfpanzern, aber auch von anderem mechanisierten Kriegsgerät getrennt haben. Dieser Abrüstung stehen so gut wie keine Neubeschaffungen gegenüber, so daß sogar die Verteidigungsfähigkeit einiger Nato-Partner in Zweifel gezogen werden kann. Als Beispiel könnten die Niederlande gelten. Sie verfügen von ihren ehemals knapp 1.000 Kampfpanzern des Typs „Leopard“ noch über 48 Exemplare, die aber nach aktuellen Informationen bald ebenfalls „ausgesondert“ werden sollen. Auch die Bundeswehr besitzt gerade einmal noch 350 Kampfpanzer.

Diese Umstrukturierung dient der neudefinierten, an US-Interessen ausgerichteten Nato-Doktrin, die nicht mehr defensiv auf einen Angreifer in Europa, sondern weltweite Interventionen als Strategie hat. Diese richten sich eher gegen ungerüstete Partisanenkrieger in asymmetrischen Kämpfen. Kampfpanzer werden dafür nicht benötigt.

Allerdings haben nicht alle europäischen Nato-Staaten diese Strategie: So hält Griechenland einen zahlenmäßig hohen Bestand an Panzern (1.460) und anderen Gefechtsfahrzeugen bereit – die Türkei ebenso. Nichts demonstriert die Furcht Athens vor der Bedrohung durch die kleinasiatische Regionalmacht besser als diese Zahl. Auch die Schweiz besitzt mit 440 Leopard-Kampfpanzern inzwischen mehr als die Bundeswehr. Bemerkenswert ist auch Polens Bestand von etwa 1.000 Kampfpanzern – darunter 128 Leopard aus Bundeswehrbeständen.

Echte Neuentwicklungen auf dem Gebiet der Kampfpanzer gibt es zur Zeit in der Türkei mit dem „Altay“ und in Südkorea mit dem „K 2“. Ansonsten gibt es nur einige Verbesserungen bei den Schützenpanzern und sonstigen „gepanzerten Kampffahrzeugen“. Interessanterweise hat sich der Bestand von rund 100.000 Kampfpanzern weltweit nur geringfügig um 7,8 Prozent verringert.

Hanels Band dokumentiert auch den militärischen Aufstieg Indiens und Chinas, die zwar die Anzahl ihrer Panzer nicht wesentlich gesteigert, dafür aber die Qualität und Schlagkraft ihrer Waffensysteme deutlich verbessert haben. Kritikwürdig ist, daß Hanel die Rüstungspotentiale zweier „Schurkenstaaten“, nämlich des Iran und Nordkoreas, nicht aufgeführt hat. So stützt sich die Schlagkraft der fünftgrößten Armee der Welt in Nordkorea auf etwa 3.600 Panzer, die allerdings wie der T 55 aus sowjetischer Produktion der sechziger Jahre stammen. Interessanter wären Hinweise auf die modernen, im Iran entwickelten Kampfpanzer (Zulfiqar) gewesen. Immerhin hat Teheran den Bestand seiner etwa 2.000 älteren US- und Sowjetpanzer zunehmend damit ersetzt.

Dieter Hanel: Streitkräfte und Rüstung – Die Panzerindustrie. Bernhard & Graefe, Bonn 2012, gebunden, 432 Seiten, Abbildungen,
49 Euro

Versenden
  Ausdrucken Probeabo bestellen