© JUNGE FREIHEIT Verlag GmbH & Co.  www.jungefreiheit.de  26/13 / 21. Juni 2013

Medien und Kernenergie
Die Bescheidwisser
Rolf Dressler

Im Jahr 1986 havarierte der sowjetische Kernreaktor von Tschernobyl – und zwar maßgeblich aufgrund entsetzlicher Schlampereien des staatskommunistisch gesteuerten Anlagenbetreibers und bodenloser Ignoranz des Personals. Aber nicht etwa, weil Kernenergie, wie von rot-grün lackierten Ideologen fälschlich immer wieder behauptet, angeblich generell „nicht beherrschbar“ sei. Dennoch tönte es schrill aus allen Rohren: Sofort weg mit dem Teufelszeug! Ein deutsches Politmagazin trieb es auf die Spitze: 500.000 Menschenleben werde das Tschernobyl-Desaster kosten. In Wahrheit, gottlob, blieb die Zahl der Todesopfer bis heute nachweislich im sehr niedrigen zweistelligen Bereich.

Ein Vierteljahrhundert später die Havarie der Kernkraftmeiler im japanischen Fukushima, entscheidend verursacht durch die unvorstellbare Wucht der Tsunamiwellen. Und eben wiederum nicht, weil die Atomenergie grundsätzlich nicht beherrschbar wäre. Doch wie gehabt meldeten sich natürlich auch diesmal wieder die penetranten Bescheidwisser vom Schreckensdienst zu Wort: Zehntausende, ja Hunderttausende Japaner werde die Fukushima-Katastrophe dahinraffen.

Nun das: Eine umfassende Untersuchung – wohlgemerkt der Vereinten Nationen und nicht irgendeines Lobbyinstituts – kommt zu dem hocherfreulichen Schluß, daß in direkter Folge des Atomunglücks von Fukushima weder Menschen sterben noch an Krebs erkranken werden.

Nur war leider den allermeisten Medien – ob Zeitungen, Radio oder Fernsehen vor allem auch hier bei uns in Deutschland – diese offenbar unerwünschte Nicht-Horror-Nachricht von Anfang Juni 2013 keinerlei Erwähnung wert.

Lieber verpaßt man die eigenen Scheuklappen gleich noch dem gefügigen Massenpublikum; so überspielen die meisten Journalisten skrupelfrei, daß alle seriösen Fachinstitutionen, voran die Bundesanstalt für Geowissenschaften sowie die Kommissionen für Strahlenschutz und Reaktorsicherheit, den Salzstock von Gorleben als zweifelsfrei geeigneten Standort für die Endlagerung hochradioaktiver Abfälle bezeichnen. Und sie verschleiern total, was die von Union, FDP, SPD, Grünen und Linkspartei ausgerufene Suche nach alternativen Lagerstätten in Wahrheit ganz praktisch bedeutet: die Verzögerung der Endlagerung um 50, 60 oder sogar 70 Jahre. Mindestens.

 

Rolf Dressler war langjähriger Chefredakteur beim „Westfalen-Blatt“ in Bielefeld und ist nun freier Journalist.

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